Er hatte offenbar Wichtigeres zu tun

Ein Konzertmeister der Philharmoniker hat Zeit für Gergiev in Moskau, während sich seine Kollegen in München mit der Ukraine solidarisch erklären.
Robert Braunmüller
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Keine Zeit für das Münchner Ukraine-Konzert, aber Zeit für Gergiev: der Lockenkopf Lorenz Nasturica-Herschcowici am 12. März in Moskau.
Keine Zeit für das Münchner Ukraine-Konzert, aber Zeit für Gergiev: der Lockenkopf Lorenz Nasturica-Herschcowici am 12. März in Moskau. © Vyacheslav Prokofyev/TASS/imago

Er leitet das Stradivari-Ensemble des Mariinsky Theaters St. Petersburg, ist Gastkonzertmeister beim Mariinsky Theater und und außerdem dienstältester Konzertmeister der Münchner Philharmoniker. Dort beschränkte Lorenz Nasturica-Herschcowici seine Auftritte allerdings auf Konzerte mit dem Chefdirigenten Valery Gergiev und dem Ehrendirigenten Zubin Mehta.

Bis Ende Februar konnte man über die vielfältigen Nebenjobs von Lorenz Nasturica-Herschcowici noch die Nase rümpfen. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und dem Ende der Ärä Gergiev bei den Münchner Philharmonikern sind diese Aktivitäten allerdings ein Problem, das dem Ruf des Orchesters zu schaden droht.

Nasturica-Herschcowici weiter in Russland unterwegs

Auch nach der Auflösung des Vertrags durch die Stadt mit Gergiev ist Nasturica-Herschcowici weiter in Russland unterwegs - zuletzt als Konzertmeister des Mariinsky-Orchesters beim Oster-Festival Gergievs mit Auftritten in russischen Städten. Das belegen Fotos, die das Orchester und eine inoffizielle Gergiev-Fanseite auf Instagram gepostet haben.

Der Musiker hat den Philharmonikern auf Nachfrage erklärt, seine Auftritte hätten nichts mit politischen Sympathien zu tun. Die Landeshauptstadt hat die Angelegenheit bereits rechtlich überprüft: Die Nebentätigkeit Nasturica-Herschcowicis ist genehmigt, juristisch ist alles wasserdicht.

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Politisch heikel ist allerdings ein Auftritt am 12. März Nasturica-Herschcowicis mit Gergiev im neuen Moskauer Konzertsaal am Sarjadje-Park - nicht einmal zwei Wochen nach der Trennung der Philharmoniker von ihrem Chefdirigenten. Bei diesem Konzert soll nach russischen Medienberichten auch das "Große Tor von Kiew" aus Modest Mussorgskys "Bildern einer Ausstellung" gespielt worden sein.

Die Einnahmen des Konzerts kamen der Charitable Foundation of Valery Gergiev zugute, deren obskures Gebaren zuletzt ein Video aus dem Umfeld von Alexei Nawalny offengelegt hat. Zwar sind alle Daten zu dieser Veranstaltung von der Homepage des Konzertsaals verschwunden, von russischen Journalisten ist allerdings zu hören, das Konzert habe stattgefunden. Außerdem existiert ein Foto der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass von diesem Termin, auf dem Nasturica-Herschcowici mit Gergiev zu sehen ist.

Agent hüllt sich in Schweigen

Dieser Auftritt mag juristisch erlaubt sein, aber besonders gut riecht er nicht. Nasturica-Herschcowici hatte Zeit und Lust auf ein Konzert für Gergievs Stiftung. Beim Ukraine-Solidaritätskonzert der drei Münchner Orchester in der Isarphilharmonie, das vier Tage vor dem Moskauer Konzert stattfand, blieb der dienstälteste Konzertmeister der Philharmoniker unsichtbar.

Das wirft Fragen auf, die der Agent Nasturica-Herschcowicis, der bis Ende Februar auch Gergiev vertrat, bis Redaktionsschluss nicht beantworten wollte. Die Auftritte des Konzertmeisters unterlaufen den klaren Schlussstrich, den die Philharmoniker unter die Ära Gergiev gezogen haben. Die Kultursprecher von Grünen, CSU und SPD im Rathaus haben in der gestrigen Ausgabe die Auftritte des Konzertmeisters bereits so scharf kritisiert, dass Konsequenzen unvermeidlich scheinen. Und die können nur auf eine empfindliche Disziplinierung der Nebengeschäfte des Geigers oder auf eine Trennung hinauslaufen.

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  • Yeswecan am 05.05.2022 08:49 Uhr / Bewertung:

    Guter Kommentar! Auch wenn ich den Konzertmeister und Musiker Lorenz Nasturica sehr schätze:Seine Selbstdarstellung im Konzert ist gelegentlich übertrieben.Allgemein ist bei den Münchner Philharmonikern zu beobachten, dass seit einiger Zeit der 1.Konzertmeister dann erscheint, wenn das gesamte Orchester schon sitzt und damit einen zusätzlichen Beifall einfordert.Mag sein, dass der Konzertmeister der wichtigste Musiker des Abends ist. Aber diese neue Sitte habe ich weder beim BRSO noch bei Gastorchestern beobachtet.Wird Zeit, dass dieser Personenkult sich nicht weiter ausdehnt.Das Orchester ist ein Team und sollte als solches auftreten, auch die Tutti-Geiger tragen zum Gelingen bei.Aber bei den Philharmonikern scheint besonders Herr Nasturica eine Sonderstellung zu haben.

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