Die Entscheidung fällt im Oktober

Ein Hornberger Schießen mit Ergebnis: Gegen alle Erwartungen lässt die Staatsregierung nicht nur drei, sondern fünf Standorte für einen Konzertsaal prüfen.
von  Robert Braunmüller / TV/Medien

Ein Hornberger Schießen mit Ergebnis: Gegen alle Erwartungen lässt die Staatsregierung nicht nur drei, sondern fünf Standorte für einen Konzertsaal prüfen.

Ist das nun eine Wiederholung des sprichwörtlichen Hornberger Schießens? Oder ein Beispiel für das Regieren mit ruhiger Hand? Das Bayerische Kabinett hat gestern beschlossen, fünf Standorte für einen Konzertsaal vertieft zu prüfen: den Apothekenhof, das Eissportzentrum am Olympiapark, den Finanzgarten, die Paketposthalle und das Werksviertel am Ostbahnhof. Im Oktober soll eine Entscheidung fallen.

Im Vorfeld der Kabinettssitzung wurde eine Vorfestlegung auf zwei oder drei Standorte erwartet. Der Finanzgarten schien seit Monaten mit Rücksicht auf den Landschaftsschutz ausgeschieden, und vom Apothekenhof der Residenz redete schon lange niemand mehr. Nun sind beide Vorschläge wieder im Rennen.

Der neue staatliche Konzertsaal kommt auf jeden Fall

„Wir suchen, weil wir den Saal wollen“, stellte Staatskanzlei-Chef Marcel Huber klar. Obwohl Horst Seehofer dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks 2012 bei einem Neujahrskonzert in Berlin den seit über zehn Jahren geforderten Neubau versprochen hatte, gab es immer wieder Zweifel daran, ob der Ministerpräsident sein Wort hält. Nun ist endlich klar: Der Konzertsaal kommt. Deshalb fügte Huber unter Anspielung auf Widerstände in der CSU hinzu: „Das ist was anderes, als wir schon mal hatten.“

Nun ist der vom Staat mitfinanzierte Konzertsaal-Neubau in Nürnberg beschlossen. Das im Landtag und draußen im Land beliebte Vorurteil des Monacozentrismus lässt sich damit nicht aufrechterhalten.

Das Kabinett wolle keine politische, sondern eine sachorientierte Entscheidung, so Huber. Für die sorgt der Städteplaner Albert Speer, dessen Büro bereits im Frühjahr nach der Prüfung diverser Vorschläge in einer vorläufigen Studie den Finanzgarten und das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße favorisiert hatte.

Mittlerweile liegt allerdings ein Stadtratsbeschluss zur Sanierung des Gasteig-Kulturzentrums vor. Da die Stadt kein Ausweichquartier für die Philharmoniker und die Konzerte freier Veranstalter vorweisen kann, drängt die Zeit. Daher dürften nur noch Bauplätze in Frage kommen, auf denen 2020 ein Konzertsaal stehen kann. Er würde erst als Übergangslösung für alle dienen und später zur Heimat des BR-Symphonieorchester werden.

Neue Chance für "Resonanz"

Die „vertiefte Prüfung“ durch das angesehene Büro Speer wird den Staat laut Huber einen fünf- oder knapp sechsstelligen Betrag kosten. Mit der Fristverlängerung auf Oktober bekommt auch das Projekt „Resonanz“ in der Paketposthalle eine realistische Chance – falls eine Fläche gefunden wird, auf der ein Briefverteilzentrum errichtet werden kann. Die Investoren behaupteten zuletzt, der Verkauf des Geländes durch die Post stünde kurz bevor. Das Unternehmen äußerte sich abwartend.

Ministerpräsident Horst Seehofer und Oberbürgermeister Dieter Reiter favorisierten zuletzt das ehemalige Pfanni-Gelände hinter dem Ostbahnhof. Hier scheint es die geringsten Probleme mit dem Baurecht zu geben. Allerdings möchte Werner Eckart das Grundstück nicht verkaufen, sondern den Konzertsaal in „Public-Private-Partnership“ mit dem Staat und dem Bayerischen Rundfunk errichten. Derartige Modelle werden zunehmend kritisch betrachtet, auch innerhalb der staatlichen Bürokratie.
Huber und Kunstminister Ludwig Spaenle stellten allerdings klar: Chancen hat nur ein Projekt, bei dem 2018 mit der Realisierung begonnen werden kann. Spaenle deutete an, dass beim Eissportzentrum am Olympiapark Verzögerungen drohten. Für ihn liegt das Pfanni-Gelände vorn, dem Finanzgarten und dem Apothekenhof räumte er indirekt geringere Chancen ein.

Ein Vorschlag von Christian Gerhaher wird neu geprüft

Dass dieser Vorschlag des Kunsthistorikers Florian Schröter wieder auftaucht, ist eine Überraschung. Schröter, ein leidenschaftlicher Konzertbesucher, möchte den als Parkplatz unter Wert gehandelten Apothekenhof der Residenz überdachen – ähnlich wie den Comité-Hof vor dem Cuvilliéstheater. Unter diesem Dach hätte ein Konzertsaal von der Größe und Form des Luzerner Kulturzentrums mühelos Platz. Auch der verschlissene Herkulessaal nebenan würde von der Aufwertung profitieren.

Laut Huber hat der Sänger Christian Gerhaher dem Ministerpräsidenten diese Idee noch einmal nahegebracht. Sie wurde allerdings 2010 von der Schlösserverwaltung abgeschmettert. Aber auch die Residenz verdient eine lebendige Weiterentwicklung.
Wie die anderen vier wird auch dieser Vorschlag vom Büro Speer bis Oktober noch einmal geprüft. Auch die umstrittene Frage, ob der Saal wirklich in „Public Private Partnership“ errichtet werden soll, sollte nun mit kühlem Kopf überdacht werden.

Zehn Jahre lang wurde nun über den Konzertsaal diskutiert. Alle fünf Vorschläge haben Vorzüge. Keiner ist völlig ideal. Jeder hat vehemente Befürworter und Gegner. Da kommt es auf drei Monate weiterer Prüfung nicht mehr an – wenn dann das Ergebnis stimmt und wirklich gebaut wird. Kein Hornberger Schießen also, sondern eine richtige Entscheidung, die Schnellschüsse verhindert.
 

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