Beim SZ-Forum im Künstlerhaus öffnen sich Hintertürchen für einen Neubau
Braucht München einen neuen Konzertsaal?“, fragte der stellvertretende SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach. Und schon unterbrach heftiger Applaus seine Begrüßungsworte. Sein Antrag wurde von den 400 Zuhörern im Künstlerhaus am Lenbachplatz mehr oder weniger einstimmig angenommen.
Wenn’s so leicht wäre, hätten wir längst einen Saal. Aber in München fehlt es an einer breiten bürgerschaftlichen Bewegung. Das machte mit britischer Zurückhaltung der Dirigent Steven Sloane deutlich, der von seinen Erfahrungen aus Bochum berichtete. Immerhin, und das ist eine Neuigkeit: Der Filmrechtehändler Herbert Kloiber scheint fünf Millionen Euro zugesagt zu haben.
Ludwig Spaenle als Buhmann
Und den unumstrittenen Standort gibt es auch nicht. Die Mehrheit im Saal plädiert wohl für den Finanzgarten. Als Kunstminister Ludwig Spaenle auf das fehlende Baurecht und das Landschaftsschutzgebiet zu sprechen kam, wurde gemurrt. Aber das ist nun mal leider auch keine Lösung für die an dieser Stelle offenen Fragen.
Spaenle war als Buhmann geladen. Und Buhs bekam er gleich zur Begrüßung. Ob das wirklich geschickt ist? Ohne den Kunstminister und seinen gescholtenen Chef Seehofer wird es keinen Neubau geben.
Das Geld sei da, machte Spaenle deutlich. Der Staat sei zwar in erster Linie für die eigenen Theater und Museen verantwortlich. Dennoch wolle man bauen. Verschiedene Standorte seien geprüft worden, dabei hätten sich der Kongresssaal des Deutschen Museums und der Finanzgarten als mögliche Standorte herauskristallisiert. An der Ludwigsbrücke blockiere das Museum, beim Finanzgarten befürchte die Regierung Proteste. Daher hätten sich OB Reiter und Ministerpräsident Seehofer auf einen gemeinsamen Umbau des Gasteig und die Ertüchtigung des Herkulessaals verständigt.
Lieber ein Migrationsmuseum oder mehr Kreativquartier?
Dieser vielkritisierte Beschluss vom Januar bedeute allerdings kein Aus für den Neubau, so Spaenle. Derzeit werde die „Zwillingslösung“ geprüft. Sollte sie sich als unmöglich erweisen, bliebe der neue Konzertsaal als Option. Spaenle hofft, dass öffentlicher Druck auf die Gremien das Deutsche Museum von seiner Blockade abbringen könnte. Tatsächlich hat dessen Generaldirektor ungeschickt agiert: Sein „Forum der Technik“ ist nur eine wolkige Vision, und angesichts explodierender Kosten für die Sanierung des Museums wird dafür kaum Geld übrig bleiben.
Auch ohne staatliche Beteiligung werde die Stadt den Gasteig sanieren und die Philharmonie nachbessern, machte Kulturreferent Hans-Georg Küppers deutlich. Die Stadt werde keinen neuen Saal bauen, einen Neubau aber nicht behindern. Und Küppers rechnet damit, dass der Saal kommt. Matthias Lilienthal, der künftige Intendant der städtischen Kammerspiele, findet ein Migrationsmuseum oder ein Produktionshaus im Kreativquartier mindestens genauso wichtig. Man müsse die Klassik pflegen, aber zugleich in Neue Medien und andere Kunstformen investieren.
BR-Intendant Ulrich Wilhelm wiederholte seine bekannte Position, dass der Sender zwar Geld für Klangkörper und Programm ausgeben dürfe, nicht jedoch für den Bau eines Konzertsaals. Zuletzt hatten Äußerungen seines Stellvertreters Albrecht Hesse den Eindruck erweckt, dass dieser mit EU-Richtlinien begründete Standpunkt nicht in Granit gemeißelt sei. Doch darauf ging Wilhelm nicht genauer ein.
Wie in einer Talkshow
Leider fragte niemand hart nach. Auch der zuletzt ins Spiel gebrachte Standort Olympiapark kam nur am Rand vor. In der letzten halben Stunde kam auch das Publikum zu Wort. Die Konzertsaal-Fans hielten Co-Referate und priesen in Talkshow-Manier ihre Bücher an, statt das Podium festzunageln. Und so blieb Spaenle und Küppers die Aufklärung erspart, wo die Orchester im Fall einer Zwillings-Lösung während des Gasteig-Umbaus spielen sollten und was aus den privaten Veranstaltern wird.
Die Sängerin Waltraud Meier beschwor die Notwendigkeit einer verstärkten Jugendarbeit und der Öffnung von Proben. Aber braucht es dafür einen Neubau? Über das außerhalb Münchens schon in Umwälzung begriffene Ritual des Klassik-Konzerts wurde nicht gesprochen. Und so lag wieder einmal der Geruch von bürgerlicher Repräsentationskultur in der Luft, der diesem Projekt wenig förderlich ist. Ein neuer Konzertsaal, so er denn käme, müsse als modularer Saal auch für die Musik der Gegenwart ausgelegt sein. Aber dazu hört man – wie immer – von den Fans eines Neubaus kein Wort.
Und über das öffentliche Interesse an dieser Debatte sollte sich niemand in Illusionen wiegen. 26 000 Menschen haben die Online-Petition für den Neubau bisher unterzeichnet. Das ist nicht viel, auch wenn es noch 10 000 weitere Unterschriften auf Papier geben dürfte. Die Initiative für die Stolpersteine zum Gedenken an Nazi-Opfer hat bereits 48 000 Unterzeichner.