AZ-Kritik zu Tom Jones auf dem Tollwood: Der geborene Entertainer
Zwanglos schlendert der Altmeister nach vorn und lächelt jenes unschlagbare Lächeln, das seit Jahrzehnten Menschen dahinschmelzen lässt wie walisische Fassbutter. Schon jetzt, um Punkt neunzehn Uhr, auf die Sekunde, hat er sie alle, die Zuschauer im komplett ausverkauften Tollwood-Zelt.
Er ist der geborene Entertainer, genießt erstmal in aller Ruhe den Empfang seines Münchner Publikums, das bereits in dem Augenblick, als er die Bühne betritt, aufspringt, klatscht und vereinzelt Glückstränen vergießt, weil es kaum fassen kann, dass der Tiger leibhaftig und in all seiner Pracht vor ihnen steht!
Tom Jones: Ganz besondere Atmosphäre auf dem Tollwood
Tom Jones lässt seine perfekten Zähne blitzen, zwinkert kurz ins Publikum, sagt ein paar charmante deutsche Worte, während die fünfköpfige Band hinter ihm Platz nimmt. Die Atmosphäre ist angenehm gelöst und hat eine ganz besondere Magie, es fühlt sich fast so an, als befände man sich im Hotelsalon eines Spielfilmklassikers und lausche der gefeierten Hauskapelle, deren Frontmann niemand geringeres als der größte Star seiner Zeit ist.
Die aufgestellten Stühle hätte es nicht gebraucht, weil sie für die gesamten knappen zwei Stunden niemand nutzt, jeder bleibt stehen und feiert dieses Ereignis. Tiger Tom beherrscht das Showbiz wie kein zweiter, seine Zwischenansagen sind legendär und immer geschmackvoll auf den Punkt gebracht.
Vom Staubsaugervertreter zum Weltstar
Die gute alte Schule des Unterhaltungskünstlers hat er von der Pike gelernt, als er in jungen Jahren nach einer kurzen Zeit als Staubsaugervertreter sein stimmliches Talent entdeckte und sich mit diversen Bandformationen durch die walisischen Clubs musizierte.
Mit dreiundzwanzig landete er schließlich in London und wurde rasch zum Geheimtipp in der Livemusikszene. Dann ging es rasant, er sang die Titelsongs zu "What's new, Pussycat" und dem James-Bond-Klassiker "Feuerball", lernte dabei nebenbei Romy Schneider, Peter Sellers, Woody Allen und Sean Connery kennen, mehrere Welttourneen folgten.
Seither sind sechzig Jahre vergangen. Wie ein Einser steht er da und erzählt plaudernd von seinem ersten Münchenbesuch bezüglich seiner Bambiverleihung im Jahr 1968.
"It's not unusal": Einleitung mit Kongas
Da bemerkt er aus dem Augenwinkel seinen Drummer und Musical Director Gary Wallis, der übrigens vor einigen Jahren auf Marianne Rosenbergs Tour trommelte. Gary hat am linken Bühnenrand Platz hinter zwei kubanischen Fasstrommeln Platz genommen. Launig fragt der Tiger wie in einer kunterbunten Kindersendung: "Was hast Du denn da?" Mit dezent gespielter Überraschung stammelt Wallis: "Das sind Kongas." Tom Jones: "Aha! Kongas! Interessant. Was kannst du denn mit denen machen?" Wallis: "Ich kann darauf spielen." Gesagt, getan.
Der Rhythmus wird eingeleitet und geht sofort ins Blut, als der Bass von Dave Bronze einsetzt, steht fest: die Kongas sind die geniale Einleitung zum Welthit "It's not unusual", ein wunderschönes sentimentales Liebeslied: "Es ist nicht ungewöhnlich, von jemandem geliebt zu werden. Es ist nicht ungewöhnlich, mit jemandem Spaß zu haben. Aber wenn ich sehe, dass du mit jemand anderem rumhängst, ist es nicht ungewöhnlich, dass du mich weinen siehst."
Viele Hommagen an verstorbene Weggefährten
Seine Stimme ist klar, sein Geist wach und seine Eleganz umwerfend wie eh und je. So singt er dann neben seinen zahlreichen Hits viele Hommagen an verstorbene Freunde und Kollegen, deren Lieder seine gesamte Karriere begleiteten und ihm teilweise Inspirationen zu grandiosen Coversongs lieferten.
Ganz vorne freilich "Kiss" von Prince, der am gleichen Tag wie Tom Jones geboren wurde. Diesen Song hat der Tiger vor langer Zeit mit der Kultband "Art of Noise" neu aufgenommen und damit die Charts erstürmt. Im Lauf des Abends folgt noch "Tower of Song" von Leonhard Cohen, aber auch Lieder von Jerry Lee Lewis und Joe Cocker werden dargeboten.
Wie wohltuend ist es, dass wir in unseren Tagen noch Auftritte von Meistern wie John Cleese oder Tom Jones genießen dürfen, der erzählt, dass er kürzlich auf dem neunzigsten Geburtstag von Willie Nelson sein durfte. Kokett lächelnd fügt er hinzu: "Ich bin gerade mal 83. Es gibt also ein Ereignis, auf das ich mich freue!" Und schon setzt er den nächsten musikalischen Glanzpunkt. Mögen uns noch viele beflügelnde Abende von Mister Sexbomb beschert werden!
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