AZ-Kritik zum KISS-Konzert in München – Rock-Rentner am Ende des Weges
München – Heimlich, still und leise in den Ruhestand gehen? Das sollen doch bitte andere machen. Die vier US-Rocker von KISS ließen es beim Open-Air-Konzert am Königsplatz im wahrsten Sinne noch mal richtig krachen, bevor der Rentenbescheid im Briefkasten liegt.
Feuer, Kunstblut und verrückte Kostüme standen auch der Generation 70+ noch überraschend gut. Mit ihrer "End of the Road" Tour waren die vier Rock-Rentner wohl zum letzten Mal zu Gast in München. Das Ende des Weges ist schon in Sichtweite. War die Stimmung wie auf einer Beerdigung angesagt? Mitnichten! Die AZ-Kritik zum KISS-Konzert in München.
KISS in München: Zehntausende am Königsplatz dabei
"Ihr wollt die Besten, ihr bekommt die Besten", grölte der typische Ansager vor dem Start den 17.000 Zuschauern zu. Ein Spruch, genauso dick aufgetragen wie die Schminke im Gesicht der Rocker. Der Startschuss zu einer lauten, bunten, kitschigen Rock-Party, bei der Gesang und Musik nie im Mittelpunkt standen. In einer Mischung aus Knalleffekt und Christbaumbrand schwebten die drei Musiker auf drei Hebebühnen vom Dach der Bühne.
Klassischer 70er-Jahre Rock’n’Roll wurde mit wilden Solos und den typischen Rock-Ansagen geboten. Bei "Cold Gin" kamen nach dem Gitarren-Part Raketen aus der Gitarre von Tommy Thayer geschossen.

Gene Simmons spuckte erst Feuer bei "Heaven's on Fire" und danach Kunstblut bei "God of Thunder". Leadsänger Paul Stanley flog mit 71 Jahren an einem Trapez über das Publikum, um auf einer zusätzlichen Bühne "Love Gun" und "Black Diamond" zu performen. So flogen die Herzen der Zuschauer auf die Bühne, wo sie auf die vier Herren trafen, die locker ihren Stiefel herunterspielten.
KISS in München: 70-jährige Rocker – 30 Zentimeter Plateauschuhe
Apropos Stiefel. Jeder Orthopäde in der Stadt würde den Herren im Rentenalter die 30 Zentimeter hohen Absätze an ihren Plateaustiefeln ausreden wollen. Doch Rockstars lassen sich nun mal ungern etwas sagen und so stolzierten sie in luftiger Höhe leichtfüßig über die Bühne.
"Man muss wissen, wann man von der Bühne abtreten muss. Und wir haben zu viel Respekt vor uns selbst und vor den Fans, um zu lange auf der Bühne zu bleiben", sagte Bandchef Gene Simmons vor dem Start der letzten Konzerte in einem Interview. Die anstehende Rente hielt den 73-Jährigen aber nicht davon ab, immer wieder mit seiner überlangen Zunge unter dem Jubel der Fans über die Saiten von seinem Bass zu lecken oder sie ins Publikum zu strecken. Sänger Paul Stanley gab passenderweise die Hits "Lick It Up" oder "I Love It Loud" zum Besten.

KISS-Konzertkritik: Seit 50 Jahren eine Show
Es wirkte, als hätten die beiden Gründungsmitglieder die letzten 50 Jahre nichts anderes gemacht. Zugegeben, sie haben die letzten 50 Jahre nichts anderes gemacht. Die Show ist seit Jahren durch choreografiert und bietet echten Fans keine Neuigkeiten. Keine neuen Songs und keine Experimente stehen da auf der Setlist. Jeder Blick in die Kamera und jede Bewegung wurde schon tausendfach so durchgespielt. Durch ihre Kostüme und die auffällige Schminke sind die Musiker zu Kunstfiguren geworden und somit fast zeitlos.
Spielen KISS live oder mit Playback in München?
Einige Fans machten sich einen Spaß daraus, genau zu beobachten, ob Sänger Paul Stanley das gelegentliche Playback traf. Seit einigen Jahren kursieren immer wieder Gerüchte, dass er die hohen Töne in den Songs nicht mehr singen kann. Logisch, die Hits wie "Calling Dr. Love" hatte er geschrieben, als er Mitte 20 war.
Familienväter in ausgewaschenen KISS-Shirts standen in der lauen Sommernacht neben ihren jugendlichen Töchtern, die ihr Kleidungsstück mal irgendwann bei einem großen schwedischen Textilunternehmen im Angebot gefunden hatten.
KISS in München – eine laute Party für den Ruhestand
Verschiedene Generationen feierten die Hits, die bleiben werden, auch wenn bei den Rockern Schaukelstuhl statt Hebebühne angesagt ist. Für "I Was Made For Lovin’ You" waren sie am Ende alle hier und mit "Rock And Roll All Nite" endete wohl eine Ära der KISS-Konzerte in München.
Keine Beerdigung von Helden also. Eher eine laute Party für den Ruhestand. Mit viel Knalleffekt zum Ende und den üblichen Wünschen der Fans: Kommt vielleicht doch bald mal wieder nach München.
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