Andris Nelsons dirigiert russische und französische Musik

Andris Nelsons dirigiert das Boston Symphony Orchestra: Musik von Debussy und Ravel, seine Frau Kristine Opolais singt Tschaikowsky.
Michael Bastian Weiß |
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Der Dirigent Andris Nelsons.
dpa Der Dirigent Andris Nelsons.
Andris Nelsons dirigiert das Boston Symphony Orchestra: Musik von Debussy und Ravel, seine Frau Kristine Opolais singt Tschaikowsky.
 
München - Was wohl Orchestermusiker denken, wenn sie wissen, dass ihr Dirigent irgendwann einmal dasselbe Instrument gespielt hat wie sie? Legen sie sich umso mehr in´s Zeug? Und wie steht der Chef am Pult zu demjenigen Solisten, mit dessen Instrument er einst so viele Stunden Übezeit verbracht hat?
 
Andris Nelsons, der als Trompeter an der lettischen Oper begann, bevor ihn eine ziemlich unvergleichliche Karrierewelle als Dirigent global ganz nach oben spülte, schätzt seine ehemaligen Kollegen vom Blech offenbar sehr. Mehrere Konzerte nun haben gezeigt, dass nicht nur der Bläserapparat, sondern das ganze Boston Symphony Orchestra, dem Nelsons seit 2014 vorsteht, von den Trompeten mitunter förmlich dominiert werden: mit stentorhafter Kraft, doch mitunter auch gepreßt brutal reißen die Bläser einfach zuviel Macht an sich.
 
Das ist nur ein Symptom für einen Trend, den Nelsons bislang nicht stoppen konnte, nämlich die Tendenz zur klanglichen Unausgeglichenheit der Bostoner. Generell läßt sich sagen: Die Blechbläser sind stark, die Holzbläser fallen etwa in Dmitri Schostakowitschs Bühnenmusik zu  „Hamlet“ mit sensiblen, beherzten Soli auf, das Schlagwerk tritt typischerweise mit vollem Selbstvertrauen hervor. Doch die Streicher, wiewohl üppig besetzt, geraten nicht nur ein paar Mal in das Hintertreffen.
 
 
Das ist noch am wenigsten zu spüren in der „Hamlet“-Musik, die von den grellen, unüberbrückbaren Kontrasten innerhalb des Orchesters geradezu lebt. In Claude Debussys „La Mer“ jedoch räumen die Streicher oft allzu bereitwillig das Feld, sie artikulieren präzise, punktgenau, doch erreichen nicht jene voluminöse Streuung, die nötig wäre, um einen Gegenpol zu den anderen Mächten zu setzen. Besonders in den Wienerismen von Maurice Ravels „La Valse“ müßten die Amerikaner einmal Präzision Präzision sein lassen, loslassen, und einen schön deftigen Nachschlag genießen.  Dieser Eindruck sonorer Bescheidenheit ist schwer erklärbar, weil Andris Nelsons den Bostonern gerade in „La Mer“ großzügige Bewegungen vorgibt, eben gerade nicht kleinteilig dirigiert, sondern stets auf die Integrität der jeweiligen melodischen Gestalt bedacht ist. Es sind farbige Realisierungen dieser Stücke, aber man könnte sie sich noch verschwenderischer vorstellen.
 
Eine Verschwendung anderer Art bedeutet es, die Sopranistin Kristine Opolais, Nelsons Ehefrau, für gerade einmal ein winziges Rachmaninow-Lied und eine einzige Opernszene einzufliegen. Frau Opolais kann sich sozusagen kaum einmal einsingen. So verwundert es nicht, dass der Stimmansatz zu Beginn der Briefszene der Tatjana aus Peter Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“ etwas hart wirkt. Opolais fehlt schlichtweg die Zeit, sich gleichsam einzuschwingen, deswegen kann sich das aparte Timbre ihres Organs nicht entfalten.
 
Es sind übrigens wieder einmal die Trompeten, die zum Schluß dieser Szene die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Andris Nelsons sollte mit seinen Kollegen zukünftig etwas strenger sein...
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