Am Dienstag entscheidet das Kabinett

Paketposthalle oder Werksviertel? Am Dienstag entscheidet das Kabinett über den Standort eines neuen Konzertsaals
von  Robert Braunmüller

Es wäre eine Überraschung, wenn sich das Kabinett nicht für das Werksviertel am Ostbahnhof entscheiden würde. Dort, wo früher Kartoffelknödel produziert wurden und später das Nachtleben tobte, könnte – nach einem sehr optimistischen Zeitplan – in gut fünf Jahren jener Konzertsaal stehen, den sich Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seit zehn Jahren wünschen.

Nach dem ursprünglichen Zeitplan wollte die Ministerrunde am 15. Dezember entscheiden. Aber der Termin wurde offenbar vorgezogen. Ministerpräsident Horst Seehofer soll beide Standorte besichtigt haben und sich bereits vor einer Woche mit Oberbürgermeister Dieter Reiter auf das Werksviertel verständigt haben.

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Die Initiatoren des konkurrierenden Projekts im Münchner Westen an der Friedenheimer Brücke haben am Wochenende noch einmal ihre Argumente sortiert. Ihr gewichtigstes lautet: Ein Ersatzgrundstück für das Briefverteilzentrum ist gefunden. Ein Neubau könnte in Germering entstehen. Die Post ist angeblich bereit, die größte freitragende Betonhalle der Welt samt Grundstück an den Freistaat zu verkaufen.

Die Größe ist ein Hauptargument der Befürworter: „Hier könnte eine ganze Musikstadt entstehen“, sagt die Landschaftsarchitektin Andrea Gebhart. „Die Halle bietet einen großen Freiraum für viele Möglichkeiten. Sie könnte ähnlich wie das Pinakotheken-Viertel einen Nukleus bilden. In der Halle ist genügend Platz für einen Konzertsaal, einen Raum für Kammermusik und den Platzbedarf der Musikhochschule, die aus dem Gasteig ausziehen soll. Gebaut wird auf Zuwachs und Ergänzung.“

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Während des Gasteig-Umbaus kämen auch die Philharmoniker problemlos hier unter. In den Foyers könnten Ausstellungen stattfinden. Gebhart schwärmt von einem Teich, an dessen Ufer Freiluftkonzerte möglich wären und wo man im Winter Schlittschuh laufen könnte.

Die schiere Größe scheint den Freistaat allerdings zu schrecken: Niemand möchte ein Desaster wie bei der Elbphilharmonie erleben. Ein neuer Konzertsaal – schön und gut. Aber gleich drei? Außer dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dem auf Probenraum-Suche befindlichen Münchner Kammerorchester meldet derzeit kein Klangkörper Raumbedarf an. Und mit den Pop-Veranstaltern scheinen die Befürworter der Paketposthalle nicht gesprochen zu haben.

„Es ist ein Angebot an eine wachsende Stadt“, wehrt Gebhart die Befürchtung von Überkapazitäten ab. „An den Verkehr wäre die Musikstadt perfekt angebunden: Die S-Bahn hält an der Friedenheimer Brücke, zwei Tram-Linien sind nicht allzu weit entfernt, die Lage an den Ausfallstraßen erleichtert Konzertbesuchern aus der Umgebung die Anreise.“

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Gelegentlich zu hörende Zweifel am Zustand des Betons versucht Gebharts Mitstreiter zu entkräften. „Das ist eine robuste Konstruktion“, sagt der Architekt Joachim Jürke. Ein Gutachten der Technischen Universität habe festgestelllt, dass der Sanierungsbedarf im Verhältnis zur Größe der Halle geringer sei als gedacht. Mit verbesserter Abdichtung habe der Stahlbeton eine hohe Lebensdauer.

Die Begeisterung für die denkmalgeschützte Stahlbetonhalle steckte bislang allerdings weder die Musiker vom BR-Symphonieorchester noch den Verein Konzertsaal München an. Mariss Jansons hat sich auf einer Veranstaltung der CSU deutlich zum Werksviertel bekannt. Auch Abgeordnete des Landtags ließen klare Sympathien für die Gegend hinter dem Ostbahnhof durchblicken. Das mindert die Chancen der Paketposthalle im Kabinett. Und wer sind eigentlich die Investoren, die das Umfeld bebauen wollen? Da halten sich die Befürworter sehr bedeckt.

Im Werksviertel weiß man hingegen, mit wem man es zu tun hat: mit dem Pfanni-Erben Werner Eckart. Wenn sich die Politik für sein Projekt entscheidet, was wird aus der Paketposthalle? „Dann bleibt das Briefverteilzentrum dort“, sagt Gebhart. „Und wir haben mit Zitronen gehandelt.“

 

 

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