Star-Architekt will Landwirtschaftsministerium abreißen
München - Die Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke und das Werksviertel sind noch im Rennen. Mitte Dezember fällt das Bayerische Kabinett die Entscheidung. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Entscheidungsträger von Staat, Stadt und Bayerischem Rundfunk das ehemalige Pfanni-Gelände am Ostbahnhof bevorzugen.
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Und wenn die Verhandlungen mit dem Grundstücksbesitzer Werner Eckart scheitern? Nicht wenige Beobachter sind der Ansicht, dass dann der mit Rücksicht auf den Baumbestand ausgeschiedene Finanzgarten wieder ins Spiel kommt. Er gehört im Unterschied zum Werksviertel und der Paketposthalle dem Staat.
Wird die Paketposthalle eine Musikstadt?
Für diesen Fall hat Stephan Braunfels einen Vorschlag, der die verknotete Debatte kühn zerschlägt: Er plädiert dafür, den unter Landschaftsschutz stehenden Park unangetastet zu lassen. Der Konzertsaal soll direkt an der Ludwigstraße stehen und den Nazi-Bau des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums ersetzen. Diesen Klotz hält Braunfels nicht für erhaltenswert, weil er die Proportionen der Planung aus dem 19. Jahrhundert sprengt.
Würde moderne Architektur hier nicht das historische Ensemble der Klenze-Bauten zwischen Odeonsplatz und Siegestor ruinieren? Keineswegs, findet Braunfels. Er schätzt die harte Fügung zwischen Tradition und Gegenwart: „Ich möchte an der Ludwigstraße ein Fanal der Moderne setzen.“
Für das Parkplatzproblem hat Braunfels ebenfalls eine große Lösung parat: Der Altstadtring-Tunnel könnte zur Tiefgarage werden. „Die Verkehrsplanung stammt aus der Zeit der autogerechten Stadt“, so der Architekt. Die Einfahrt habe den Bereich zwischen Prinz-Carl-Palais und Haus der Kunst zerstört. Für Braunfels hat der Altstadtring langfristig ohnehin keine Zukunft. „Verkehrsbauten ziehen Verkehr an. Wo Stadtautobahnen rückgebaut werden, verschwindet der Verkehr.“
Braunfels sieht die Fokussierung der Konzertsaaldebatte auf das Werksviertel mit Skepsis. „Ein Konzertsaal gehört in die Innenstadt.“ Ein Bau am Ostbahnhof in der zweiten Reihe präge das Stadtbild nicht. „Ich bin für einen glamourösen Standort“, sagt Braunfels. Er trauert auch dem gescheiteren Konzertsaal im oder am Marstall an der Stelle der heutigen Max-Planck-Gesellschaft nach – das war sein Vorschlag vor 15 Jahren, als ihn das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks um Rat fragte.
Auch gegenüber der Pinakothek der Moderne hätte sich Braunfels einen Saal vorstellen können. Seine letzter Beitrag in dieser Debatte, die Isarinsel gegenüber dem Kongresssaal des Deutschen Museums, wurde mit Rücksicht auf den Naturschutz nicht weiter verfolgt.
Argumente für den Konzertsaal im Werksviertel
Den Einwand, dass sich die Stadt bei raschem Baubeginn im Werksviertel ein teures Ausweichquartier während der Sanierung des Gasteig sparen könnte, wischt Braunfels vom Tisch. „Glauben Sie im Ernst, dass der Saal bis 2020 fertig wird?“, sagt er. „Ich wette mit Ihnen eine Flasche Champagner, dass daraus nichts wird. Öffentliche Bauten brauchen immer doppelt so lange wie ursprünglich angekündigt“.
Der Architekt der Pinakothek der Moderne spricht da aus Erfahrung: Sein hochgerühmter Museumsbau verzögerte sich um fünf Jahre, die Berliner Bundestags-Erweiterung ebenfalls. Den Gasteig findet der Architekt im Vergleich mit der Berliner Philharmonie recht gut in Schuss, weshalb nichts übereilt werden müsse.
Der Vorschlag von Stephan Braunfels ist ein Querschuss. Aber vielleicht ein nützlicher. Und eine Ermutigung, seinen Pessimismus, im trägen München würde nichts vorangehen, tatkräftig zu widerlegen.