Akademiekonzert im Nationaltheater: Man muss nicht so dick auftragen
Gerade unter jüngeren Musikern besteht die Neigung, Werke von Jean Sibelius noch düsterer, mit noch mehr Vibrato und überbordendem Espressivo zu spielen. Das macht zwar Effekt, aber es ist auch die billigste Methode der Nachwürzung.
Zum Schluss gab es eine Steigerung
Die beiden Einspringer im Akademiekonzert des Bayerischen Staatsorchesters beschritten einen anderen Weg. Der 22-jährige Geiger Johan Dalene nahm sich immer, wenn möglich, zurück. Er betonte die lyrischen Seiten dieses Konzerts, das oft als Armageddon zwischen einem Superhelden-Solo und dem Orchester inszeniert wird. Die zurückhaltende Version dieses Konzerts wirkt aber auf lange Sicht schlüssiger, weil nach dem ersten Satz nicht bereits alle Kräfte verpufft sind und eine Steigerung zum Finale hin entsteht.
Obwohl der für Sasha Rozhdestwendsky eingesprungene Dalene und Risto Joost nach der Absage des Dirigenten Yuri Simonow sich eher zufällig auf dem Podium des Nationaltheaters trafen, wirkte ihre gemeinsame Sicht auf Sibelius rund. Das Orchester trug nicht allzu dick auf und ließ dem Solisten den Vortritt.
Dass es sich um das vielleicht einzige wirklich dramatisch angelegte Violinkonzert des Repertoires handelt, kam - scheinbar paradoxerweise - trotz der Zurückhaltung des Solisten sehr gut heraus. Man muss eben nicht alles mit einem Fettstift doppelt unterstreichen, wenn musikalische Deutlichkeit erzielt werden soll.
Alle Instrumentengruppen zeigten ihre volle Pracht
In der Tondichtung "Sadko" von Nikolai Rimski-Korsakow holte der Dirigent aus dem Bayerischen Staatsorchester schöne Farben heraus. Auch Maurice Ravels Orchestrierung der "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski profitierten von der Zurückhaltung. Das Saxofon im "Alten Schloss" spielte angenehm diskret, nicht in jeder Nummer wurde die Lautstärke gleich bis zum Anschlag aufgedreht.
Joost gelang es - trotz bisweilen etwas behäbiger Tempi - eine Steigerung im Wechsel aus Scherzo-Sätzen und impressionistischen Charakterstücken herauszuarbeiten. Die verschiedenen Gruppen des hervorragend disponierten Orchesters zeigten ihre ganze Pracht. Dass der Schlussakkord am ersten Abend ein klein wenig verrutschte, lässt sich verschmerzen.
Der ganze Abend: Eine angenehme Überraschung
Und so war dieses Konzert mit einem in dieser Stadt bisher unbekannten Dirigenten und einem ziemlich aufregenden jungen Solisten eine sehr angenehme Überraschung jenseits der Münchner Musik-Routine oftmals allzu bekannter Gesichter.
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