Missbrauch der Musen

Heute vor 75 Jahren wurde das damals so genannte „Haus der deutschen Kunst” eröffnet – Hitlers Propagandamuseum
Robert Braunmüller |
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Für die Festbeleuchtung musste jede Wohnpartei zehn Leuchtbecher für jedes ihrer Fenster kaufen”, berichtete ein Gewährsmann der SPD an den Vorstand im Prager Exil. „Wer sich wehrte, musste eine schriftliche Begründung abgeben und einen Antrag auf Befreiung stellen. Dadurch wurde erreicht, dass sich kaum jemand der Anordnung zu entziehen wagte.”
Die Eröffnung des Hauses der Kunst vor genau 75 Jahren war ein gigantisches Propaganda-Spektakel. Die innerstädtischen Baudenkmäler wurden am Vorabend angestrahlt, die Bevölkerung mit Platzkonzerten bei Laune gehalten. Der Münchner Gauleiter Adolf Wagner gründete eigens eine „Münchner Großveranstaltungen e.V.”, weil er Profit witterte.
Am Tag der Eröffnung demonstrierte der 3000 Meter lange Festzug „Zweitausend Jahre Deutsche Kultur” mit aufwändig kostümierten Komparsen die Leistungen der „arischen Herrenrasse” von der Zeit der Germanen bis zur NS-Gegenwart – ein „in Geschenkpapier verpackter Nationalsozialismus, dessen Opfer unsichtbar blieben”, wie eine britische Journalistin schrieb.

Das Haus der Kunst ersetzte den 1931 abgebrannten Glaspalast am Alten Botanischen Garten. Den Wettbewerb für den Neubau hatte Adolf Abel gewonnen, doch Hitler verwarf im Frühjahr 1933 dessen Pläne. Er beauftragte den Nazi Paul Ludwig Troost, der 1930 das Palais Barlow in der Brienner Straße zur repräsentativen Parteizentrale umgebaut hatte, und ordnete als neuen Standort den Südrand des Englischen Gartens an.

Bei der Grundsteinlegung im Oktober 1933 beschwor Hitler die Tradition der Kunststadt München. Als er symbolisch auf den Grundstein des ersten Monumentalbaus des Regimes klopfte, zerbrach der silberne Hammer, was jedoch von der zensierten Presse verschwiegen wurde.

Efeu und Ahorn über der Scham

Zur Eröffnung befahl Hitler eine Ausstellung zeitgenössischer Maler, Bildhauer und Grafiker. Auch Gabriele Münter, Gründunsgmitlied des „Blauen Reiters”, reichte ein Gemälde mit dem Titel „Jochberg” als „deutsche Landschaft” ein. Es wurde jedoch von der Jury abgelehnt.

Kurz vor der Eröffnung besah sich Hitler die Ausstellung – und bekam einen Wutanfall. „Man hat hier Stücke aufgehängt, die einem direkt das Grausen beibringen”, notierte der Kunst- und Propagandaminister Joseph Goebbels. Die endgültige Auswahl nahm Hitlers Leibfotograf Heinrich Hofmann vor, der mit seinem Hauptmotiv die Liebe für sentimentale Genremalerei des 19. Jahrhunderts teilte. Er fuhr auf einem motorisierten Rollstuhl durch die Säle und brüllte seinen Assistenten „Angenommen” oder „Abgelehnt” zu.

Hoffmann blieb für die „Große Deutsche Kunstausstellung” zuständig, auch wenn sich Hitler die Letztauswahl vorbehielt und vieles selbst ankaufte. Akte des als „Reichsschamhaarmalers” verspotteten Adolf Ziegler waren hier ebenso zu sehen wie Skulpturen von Arno Breker oder Joseph Thorak. Porträts von Nazigrößen waren in der Minderzahl, wurden aber an strategischen Punkten aufgestellt. Ein Hitlerbild im Eingangsbereich war obligatorisch.

Ab September 1942 verhüllten Tarnmatten die Fassade, ein Teil des Dachs wurde zur Irreführung der Bomberpiloten mit künstlichen Baumkronen bedeckt. Die letzte „Große Deutsche Kunstausstellung” öffnete im Juli 1944. Noch zehn Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner wurde ein Bild verkauft. Die richteten in dem unbeschädigten Bau ihr Offizierskasino ein, ehe ab Januar 1946 Werke aus den kriegszerstörten Pinakotheken gezeigt wurden.

„Entnazifiziert” wurde das Gebäude durch die Streichung von „deutsch” im Namen sowie mit einer Ausstellung über den Blauen Reiter und die Folgen im Jahr 1949. Sechs Jahre später war Picassos Antikriegsbild „Guernica” hier zu sehen. Die Architektur blieb in der Nachkriegszeit peinlich, weshalb man an der Fassade Efeu emporranken ließ und 1959 vor die Säulenfassade Ahornbäume pflanzte. Der langjährige Direktor Chris Dercon nannte das sehr zutreffend eine „Schambehaarung”.

Sabine Brantl: „Haus der Kunst – Ein Ort und seine Geschichte” (alitera, 150 Seiten, 14.90 Euro) Mehr Infos unter www.hausderkunst.de

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