Kunstminister Wolfgang Heubisch im Interview
Seit knapp zwei Jahren ist Wolfgang Heubisch Kunstminister. Einen neuen Intendanten für den Gärtnerplatz hat er schon, bald gibt es neue Köpfe in der Staatsoper und dem Haus der Kunst
Den Urlaub verbrachte Bayerns Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf dem Berg Athos und wandernd in den Dolomiten. Als Lektüre fesselte ihn dabei Stieg Larsons Triller „Verblendung“. Seit Donnerstagnachmittag sitzt er wieder im Büro an der Salvatorstraße.
AZ: Herr Heubisch, macht Regieren viel Arbeit?
WOLFGANG HEUBISCH: Die zeitliche Beanspruchung ist hoch. Ich muss bayernweit bei sehr vielen Veranstaltungen anwesend sein. Als Münchner war mir das vorher auch nicht so bewusst, wie breit wir auch in der Region aufgestellt sind.
Gibt es die alte Eifersucht der Provinz auf München noch?
Es wird mir immer gern vorgeschlagen, in der Hauptstadt ein paar Prozent zu sparen. Ich versuche dann nachzuweisen, wie München auf ganz Bayern ausstrahlt. Eine aktuelle Untersuchung der Max-Planck-Gesellschaft belegt übrigens, wie wichtig Kultur für den Wirtschaftsstandort ist. Deshalb sind unsere freiwilligen Leistungen für Theater wie Hof oder Coburg unverzichtbar, auch damit die Leute nicht abwandern.
Besuchen Sie regelmäßig in die Theater der Regionen?
Ich nehme Termine in ganz Bayern wahr. Anfang Oktober fahre ich beispielsweise zur Wiedereröffnung des Staatstheaters Nürnberg nach dem Umbau des Schauspiels. Auch den Opernball besuche ich dort. Außerdem werde ich mir im Oktober noch im dortigen Opernhaus „Ariadne auf Naxos“ in der Inszenierung von Josef Köpplinger ansehen, dem künftigen Intendanten des Gärtnerplatztheaters.
Für diese Entscheidung wurden Sie gelobt, für Kent Naganos Nichtverlängerung dagegen ziemlich zerzaust.
Wir schauen nach vorne. Kent Nagano ist noch drei Jahre hier und war dann sieben Jahre an der Staatsoper. Er hat von sich aus seinen Abschied bekannt gegeben. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Den von Musikern, Kritikern und Publikum gewünschten Kirill Petrenko können Sie kaum nehmen, weil er wegen der Bayreuther „Ring“-Verpflichtung ab 2013 bei den Festspielen abwesend wäre.
Warten Sie's doch ab und lassen Sie sich überraschen. Ich bin zuversichtlich, noch im Herbst einen Nachfolger für Kent Nagano vorstellen zu können.
Ist denn die Strahlkraft Münchens noch ungebrochen?
Nach der Bekanntgabe von Ulrich Peters’ Nichtverlängerung sind sofort sehr viele Bewerbungen von Regisseuren und Intendanten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum hier eingelaufen. Wir sind dann selbst auf Josef Köpplinger zugegangen, haben aber auch mit anderen Kandidaten intensiv gesprochen. Auch für die Nachfolge von Chris Dercon im Haus der Kunst gibt es viele Interessenten.
Was muss der Neue im Haus der Kunst können?
Ich will keinen Klon von Dercon. Vielleicht finden wir auch eine Frau. Es muss auf jeden Fall eine Persönlichkeit mit internationaler Ausstrahlung sein. Ein rein regionaler Macher wäre undenkbar. Auch die Entscheidung von Ingvild Goetz, ihre Sammlung von Videokunst künftig im Haus der Kunst zu präsentieren, zeichnet die Richtung vor. Ich denke, dass auch diese Entscheidung im Herbst fallen wird.
Wird Dercon an der Tate Modern sozusagen unser Mann in London?
Ich werde sicher auch zukünftig seinen Rat suchen. Er bleibt uns verbunden. Die Win-Win-Situation eine solchen Verbindung müssen wir aufrechterhalten.
Droht nicht demnächst eine Sparrunde für die Kultur?
Ich bin verantwortlich für Wissenschaft, Forschung und Kunst und kein Finanzminister. Damit will ich mich nicht aus der Verantwortung stehlen, aber unter Stoiber wurde bereits mehr als eine Milliarden im Haushalt Bayerns eingespart. Das lässt sich nicht beliebig wiederholen. Wenn man beispielsweise zehn Prozent der freiwilligen Zuschüsse für die kommunalen Theater einspart, müssten einige schließen. Das werde ich nicht tun.
Wie geht es nach dem Konzertsaal-Aus mit dem Marstall weiter?
In diese Ecke der Stadt sollte Leben hinein. Es wäre sinnvoll, mit dem Bau als zweiter Bühne für die Staatsoper und das Residenztheater die Theaterlandschaft im Stadtzentrum abzurunden. Der Pavillon 21 Mini Opera space hat diesen Sommer gezeigt, was am Marstallplatz fehlt.
Den Konzertsaal-Fans machen Sie keine Hoffnung?
Ich unterstütze die Idee, obwohl sie den Staat nicht direkt betrifft. Das Staatsorchester spielt in der Oper, die anderen Orchester sind städtisch oder Institutionen des Rundfunks. Aber es stimmt schon: Die Situation der Säle ist unbefriedigend und der Musikstadt München nicht angemessen.
Welche Standorte gäbe es?
Sie kennen die Diskussion zum Finanzgarten. Ich habe den Bereich neben dem Museum Brandhorst ins Gespräch gebracht, weil mir auffällt, dass das Pinakothekenareal abends fast tot ist. Als Zuzugs-Schwabinger wünschte ich mir hier mehr Leben.
Was tut sich im Museumsareal?
Die Arbeitsgruppe wird voraussichtlich Ende 2010 erste ihre Vorschläge präsentieren. Die Stadt hat sich beim Verkehrskonzept bewegt: Der Ausgang des Altstadtring-Tunnels soll umgestaltet werden. Ich denke, auch die Gabelsbergerstraße kann keine zweispurige „Autobahn“ bleiben. Die Bürger wollen einen attraktiven Standort, das Kompetenzgerangel zwischen Staat und Stadt interessiert sie nicht.
Im Juni haben Sie ein naturwissenschaftliches Museumsareal ausgerufen. Wo soll das entstehen?
Zum 20. Geburtstag des Museums „Mensch und Natur“ in Nymphenburg habe ich dafür plädiert, das Haus zu einem Naturkundemuseum zu erweitern. Das passt zum Zeitgeist wie an den Ort nahe dem Botanischen Garten. Das Berliner Museum für Naturkunde wäre für mich ein Vorbild: Es hat seit seiner Wiedereröffnung vor eineinhalb Jahren über eine Million Besucher jährlich angezogen.
Drohen nicht vor nicht lauter Museumsneugründungen die bestehenden zu vergammeln?
Ich mache Druck, dass es beim Deutschen Museum vorwärts geht. Mittel aus dem Konjunkturpaket sind in die Sanierung geflossen. Das Haus wird vom Freistaat gemeinsam mit dem Bund finanziert. Der schaut leider häufig zuerst auf Berlin. Es stimmt schon: Politiker strahlen gern im Glanz von Neueröffnungen. Aber wir haben 48 staatliche Museen in München und der Region, für die wir genauso verantwortlich sind. Für gute Bedingungen für die vorhandenen Theater und Museen in Bayern zu sorgen, ist meine vordringlichste Aufgabe.
Robert Braunmüller, Volker Isfort