Wenn Häftlinge auf Godot warten
München - Bad Guys und Brutalität hinter Gittern faszinieren, folglich entstand ein eigenes Genre, der Gefängnisfilm. Zu der Kategorie zählen auch raffinierte Ausbruchsversuche wie im Kultthriller "Flucht von Alcatraz" oder zum Tode Verurteilte wie "Dead Man Walking" mit Sean Penn. Einen ganz anderen Zugang zum Gefängnisalltag findet Emmanuel Courcol. Er macht keinen Film über Verzweiflung und düstere Realität, sondern setzt auf Menschlichkeit, verknüpft Kultur, Kunst und Knast.
Etienne wird von Kad Merad gespielt
Kad Merad spielt den seit Jahren erfolglosen Schauspieler Etienne, der quasi alle Aufträge annimmt, um die Miete zu bezahlen. In der Not, jedoch nicht gerade begeistert, akzeptiert er das Angebot zur Gründung einer Theatergruppe als Resozialisierungsprojekt für Häftlinge. Und was liegt da näher als Samuel Becketts "Warten auf Godot" zu inszenieren, mit absurder Warterei kennen sich die Kerle schließlich aus.
Die Motivation ist gleich Null: Stimm- und Sprechübungen sowie Literatur halten sie für Firlefanz, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ist ihnen fremd, aber zumindest verscheuchen die Proben Langeweile.
Es geschieht so etwas wie ein Wunder. Etienne schafft es, die fünf unberechenbaren Typen bei der Stange zu halten, er sorgt für den nötigen Respekt und kämpft für seine harten Jungs gegen Bürokraten und Vorurteile. Das Experiment klappt, nach gefeierter Premiere im Haus folgt eine kleine Tournee bei anderen Theatern, sogar ein Gastspiel im renommierten Pariser Odéon-Theater mit Justizministerin im Saal steht an. Ende gut, alles gut?
Balance zwischen Appell für liberalen Strafvollzug, derben Scherzen und Gelächter
Es wartet eine faustdicke Überraschung. "Ein Triumph", ausgezeichnet mit dem Europäischen Filmpreis als "Beste Komödie", beweist, wie man mit leichter Hand ein schwieriges und schweres Thema rüberbringen kann, nicht zuletzt wegen des wunderbaren Ensembles. Humor heißt hier keinesfalls Harmlosigkeit, die Knackis sind keine Unschuldsengel, sondern Kriminelle, auch wenn man wenig über ihre Taten erfährt.
Sehr genau zeichnet Courcol wie Etienne eine Chance für sich sieht und zulangt und das Selbstwertgefühl bei seinen Schützlingen steigt, die trotz emotionalem Höhenflug bei der Rückkehr in die Zellen immer eins auf den Deckel kriegen. Nach Jubel im Theater muss sich die Truppe von schlecht gelaunten Wärtern filzen und erniedrigen lassen, kommt es untereinander zu Streitereien, herrscht bei den Verantwortlichen weiterhin Skepsis.
Dass der engagierte Mann die Gefängnisdirektorin (Comédie Française-Schauspielerin Marina Hands) von seinen Plänen überzeugt, ohne dass die Sympathie in eine klischeehafte Lovestory kippt, zählt zu den gelungenen Schachzügen wie die feine Balance zwischen flammenden Appell für liberalen Strafvollzug, derben Scherzen und schallendem Gelächter.
Geschichte beruht auf wahren Ereignissen
Die vertrackt-amüsante Geschichte beruht auf wahren Ereignissen: Schauspieler und Regisseur Jan Jönson studierte das berühmte Theaterstück in den 1980er Jahren mit Insassen eines Hochsicherheitsgefängnisses in Schweden ein und am Tag der öffentlichen Premiere in Göteborg machten sich fünf der sechs "Schauspieler" heimlich davon.
K: City Atelier, Monopol, Rio, Theatiner (OmU),R: Emmanuel Courcol (F, 106 Min.)
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