LGBTIQ-Ausstellung "Ich bin AUS der Ukraine. Ich bin IN der Ukraine" in München: "Augen öffnen"

LGBTIQ-Menschen aus der Ukraine engagieren sich selbstverständlich im Krieg. Das soll eine Ausstellung zeigen.
Melissa Seeger |
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Das Opening-Event Anfang November im Glockenbach - Lenny Emson spricht im Sub München
Das Opening-Event Anfang November im Glockenbach - Lenny Emson spricht im Sub München © Stanislav Mishchenko

München - Es sind Geschichten, die in der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine in den Hintergrund geraten. Wie hat er das Leben der ukrainischen LGBTIQ verändert? Darum geht es in der Ausstellung "Ich bin AUS der Ukraine. Ich bin IN der Ukraine", die noch bis Ende November im Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum München (Sub, Müllerstraße 14) zu sehen ist.

In zwölf Porträts werden die Geschichten von LGBTIQ-Personen erzählt und gezeigt, wie sie sich im russischen Angriffskrieg engagieren.

Einer von ihnen ist der LGBTIQ-Aktivist Boris Chmilevsky. Der 26-Jährige hatte wie viele junge Menschen große Pläne: Er wollte Sport machen, Deutsch lernen und viele Länder Europas bereisen. Der Krieg wurde schlagartig zum "Moment der Wahrheit". Schon vor Kriegsbeginn war Chmilevsky Teil der ukrainischen Streitkräfte und der Territorialverteidigung, später meldete er sich freiwillig zum Militärdienst. Die Verteidigung seines Heimatlandes steht nun im Zentrum.

Seine Geschichte soll, so wünscht es sich Chmilevsky, mit den immer noch in vielen Köpfen verankerten Stereotypen über LGBTIQ-Menschen brechen, die angeblich nicht gerne kämpfen.

Mehr Anerkennung und mehr Rechte für die Gemeinschaft

Auch die bisexuelle Jarina Tschornoguz (27) ist beim Militär tätig. Als Kampfsanitäterin ist es für sie selbstverständlich, für die ukrainische Gemeinschaft ihr Leben zu riskieren. Auch sie hatte viel vor: wollte einen Fallschirmsprung machen, dann Urlaub nehmen und mit der Familie ans Meer und in die Berge fahren. Die Beteiligung der LGBTIQ-Gemeinschaft am Krieg, sagt Tschornoguz, "sollte vielen die Augen öffnen" - sie erhofft sich mehr Anerkennung und mehr Rechte für die Gemeinschaft.

Die 27-jährige Natalia Beketova unterstützt die ukrainischen Bürger von Polen aus und gibt als Ehrenamtliche des Europäischen Solidaritätskorps Integrationskurse für in Polen lebende ukrainische Kinder. Zudem arbeitet die junge Frau, die sich selbst als queer, also nicht der Heteronormativität zugehörig, definiert, als Dolmetscherin. Im Ausland still zu sein und nicht zu helfen, kam für sie nicht infrage. Spätestens seit dem Krieg gilt für sie: sichtbar sein und selbstbewusst handeln. "Deshalb habe ich meinen eigenen Verantwortungsbereich, der mir in Krisenzeiten Kraft gibt."

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Beketova sieht in dem Engagement der LGBTIQ-Menschen eine Wiederbelebung der ukrainischen Nation - und auch einen "Lackmustest" dafür, wie offen und tolerant das Land wirklich ist.

Die Idee für die Ausstellung lieferte Aktivist Lenny Emson, Chef des KyivPride. Die Motivation von Emson - der sich als nichtbinär identifiziert, mit der männlichen Anrede aber einverstanden ist - war, den Kriegsalltag und die vielseitigen Hilfeleistungen der LGBTIQ aufzuzeigen. "Weil wir als Minderheit schon immer unterdrückt waren, ist es uns wichtig, dass unsere Geschichten um unsere Leben erzählt werden", sagt Emson der AZ. "Wir wollen daran erinnern, wie wir als LGBTIQ-Familie den Kriegsalltag wahrnehmen. Und daher sind wir so sichtbar, wie es geht."

1991 Homosexualität in der Ukraine noch kriminalisiert

Emson erinnert daran, dass bis 1991 Homosexualität in der Ukraine noch kriminalisiert wurde. Seither organisiert sich die LGBTIQ-Gemeinde selbst und treibt den politischen Diskurs nach mehr Rechten voran.

Emson sieht darin auch eine Bewältigungsstrategie, um mit der sowjetischen Vergangenheit abzuschließen und eine gesellschaftliche Kehrtwende in Richtung europäische Werte einzuleiten.

Der Großteil der ukrainischen LGBTIQ-Gemeinde sei nach wie vor im Land und organisiert sich von dort aus, so Emson. Die Ausstellung soll aber auch zeigen, dass sich diejenigen, die nicht mehr in der Ukraine leben, nach wie vor aktiv engagieren - sei es durch Freiwilligenarbeit, Organisation von Protesten oder Spendenaktionen. "Indem wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, verarbeiten wir den Krieg auf unterschiedliche Art und Weise."

Durch den Krieg seien die Belange der LGBTIQ aus Sicht Emsons nahezu ignoriert worden. "Wir hoffen, dass möglichst viele Leute in München die Ausstellung sehen, mit uns fühlen, aber vor allem uns unterstützen. Nur wenn die Stimmen sich mehren und lauter werden, können wir politischen Druck ausüben."

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