Kritik

"Top Gun: Maverick": Wo die wilden Kerle fliegen

Auch 36 Jahre nach dem ersten Teil landet Tom Cruise mit der nostalgischen wie technisch herausragenden Fortsetzung "Top Gun: Maverick" einen Hit.
| Florian Koch
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Die (Film)welt steht für Tom Cruise alias Pete Maverick Kopf.
Die (Film)welt steht für Tom Cruise alias Pete Maverick Kopf. © Paramount Pictures

In den Hafen von San Diego, zur Premiere von "Top Gun: Maverick", fliegt Tom Cruise noch lässig mit dem Helikopter. Beim Filmfestival in Cannes muss es schon eine Staffel Kampfjets sein, die seine Anwesenheit ankündigen. Nur einen Tag später aber düst der US-Star bereits nach London, um den sonst nur bei James Bond vorstelligen Royals Prinz William und Herzogin Kate seinen Film zu zeigen.

"Top Gun: Maverick"  fliegt nur im Kino

Keine Frage, mehr Werbung geht nicht. Es geht hier aber auch um etwas. Und damit ist nicht die perfekte Selbstdarstellung von Tom Cruise gemeint. Die kostspielige Promo-Show hat einen für die Filmindustrie ernsten Hintergedanken, den Cruise in Cannes auch ausspricht: "Top Gun 2" fliegt nur im Kino, nicht auf einer Streamingplattform - auch wenn er bereits seit zwei Pandemie-Jahren auf seinen Einsatz wartet. Die Lust am Kino als Event hat in der Corona-Zeit gelitten. Die größten Hits nach dem Ende der Restriktionen kamen von Marvel, Fanfilme mit einem klar definierten, jüngeren Publikum.

"Top Gun 2" aber will ein Blockbuster für alle sein, für nostalgische Fans des 36 Jahre alten Originals wie auch für deren Kids, die neugierig sind auf eine Bildsprache abseits künstlicher Computer-Tricks. Und auch dafür steht spätestens seit den "Mission: Impossible"-Filmen Tom Cruise: Für handgemachte, ins Extreme gehende Stunts, für eine fühlbare Lust am Nervenkitzel. Und der stellt sich in der Fortsetzung durchaus ein, auch wenn die vorhersehbare Handlung wie auch der zu Beginn aufdringliche Hurra-Patriotismus unreflektiert den Gesetzen des Originals folgt.

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Frage nach der Menschlichkeit in der US-Armee

Die Jahrzehnte scheinen an Maverick (Tom Cruise) nicht nur äußerlich - er trägt immer noch seine mit Abzeichen übersäte Fliegerjacke - spurlos vorüber gegangen sein. Auch als Typ ist er noch der Heißsporn von einst, der süchtig ist nach dem Rausch der Geschwindigkeit. Seine Ablehnung von Autoritäten hat ihn nicht weit gebracht, er bleibt als Navy-Captain ein Testpilot. Auch Mavericks Vorgesetzter (Ed Harris) kann mit den luftigen Risiko-Spielchen wenig anfangen: "Die Zukunft kommt und du gehörst nicht dazu. Dein Typ ist am Aussterben", knallt er Maverick bei einer erneuten Disziplinlosigkeit ins Gesicht - ein Verweis auch auf den Strategiewechsel der US-Armee in Richtung Drohnen-Technik. Mavericks Replik funktioniert nur mit diesem typisch selbstbewussten Tom-Cruise-Lächeln: "Heute noch nicht."

Die hier bereits angedeutete Stärkung des Individuums in einer anonymer werdenden Welt der Maschinen, steht dann auch im Zentrum der Fortsetzung. Später, als Maverick versetzt wird, um in San Diego "die Besten die Besten" der US-Navy in einer Lehrerrolle auf ihre Mission vorzubereiten, kommt sie wieder auf, die Frage nach der Menschlichkeit in der US-Armee. Denn mit "Cyclone" (Jon Hamm) sitzt Maverick auch in der Top Gun Academy ein Bürokrat vor der Nase. Ein Mann, dem es nur um das Ausführen von Befehlen, vom Erfüllen von Missionen geht. Ganz egal, ob sie auch Menschenleben kostet. Maverick aber glaubt daran, dass die naiven, vor Selbstbewusstsein strotzenden jungen Piloten den anonym bleibenden, ein Uranlager bewachenden Feind besiegen können - ganz ohne Verluste, nur im Glauben an das eigene Können. Mit seiner "Erst handeln, dann denken"-Attitüde muss Maverick aber noch Rooster (Miles Teller) überzeugen, ein Eigenbrötler, den ein tragischer Vorfall mit Maverick verbindet. Roosters Vater Goose (Anthony Edwards), der einstige Flügelmann von Maverick, kam in Teil eins bei einem Manöver ums Leben. Und die Schuld für den Unfall trägt laut Rooster, man ahnt es, Maverick.

Der manische Perfektionismus von Tom Cruise  zahlt sich aus

"Top Gun 2"-Regisseur Joseph Kosinski schafft es dank glaubwürdiger Darsteller, dass dieses Schuld-und-Sühne-Klischee nie ins Peinliche abgleitet. Ähnlich stilvoll gerät die charmant unaufgeregte Liebesgeschichte von Maverick mit der abgezockten, alleinerziehenden Barbesitzerin Penny (Jennifer Connelly). Richtig abheben kann der fesselnde Film gegen Ende, wenn die Piloten in ihren fliegenden F18-Kisten mit Mach 7 gegen die Zeit kämpfen. Da zahlt sich auch der manische Perfektionismus von Tom Cruise aus. Denn dadurch, dass die Schauspieler wirklich in den Jets sitzen mussten, spüren die Zuschauer, dass hier g-Kräfte am Werk sind, die in Panik aufgelöste Gesichter regelrecht zerknautschen. Und vielleicht durchbricht "Top Gun: Maverick" mit seiner "Echter wird's nicht"-Haltung nicht nur in den USA, wo ein Hit sicher scheint, sondern auch in Deutschland die Drei-Millionen-Zuschauerschallmauer.


Regie: Joseph Kosinski (USA,131 Min.)
Kino: Arri, Astor Lounge, Cadillac, Cincinnati, Cinema (OV), CinemaxX, Gloria, Mathäser, Museum Lichtspiele (OV), Neues Rex, Royal

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