"The French Dispatch": Geistvoller Irrsinn
In Wes-Anderson-Filmen - "Darjeeling Limited", "Der fantastische Mr. Fox", "Moonrise Kingdom" oder "Grand Budapest Hotel" und "Isle of Dogs "- muss man sich immer erst kurz an eine völlig eigene Art des Erzählens gewöhnen. Und allein das ist schon etwas Besonderes, weil es einen witzig, einfallsreich, skurril und geistreich aus der Kino-Sehgewohnheit entführt.
Dass schätzen sogar Hollywood-Größen als erfrischend und europäische Schauspieler sowieso. Und so ist allein schon die Besetzungsliste von "The French Dispatch" ein Grund in diesen Film zu gehen: die üblichen Verdächtigen wie Bill Murray, Adrian Brody, Owen Wilson, aber auch Frances McDormand und Tilda Swinton, dann der kanadische Jungsuperstar Timothée Chalamet sowie die Starfranzosen Mathieu Almaric und Léa Seydoux und in Nebenrollen Willem Dafoe, Cécile de France, Anjelica Huston, Edward Norton, Saoirse Ronan oder Christoph Waltz.

Gleichzeitig simpel und dennoch hochkompliziert
Hat man diese Liste erst einmal auf sich wirken lassen, kann man beginnen die Handlung zu verstehen - und die ist gleichzeitig simpel und dennoch hochkompliziert. Denn bei Wes Anderson sind oft witzige Einfälle und ästhetische Ideen wichtiger als die reine Handlung. Und so wundert es bei "The French Dispatch" nicht, dass Anderson dazu erzählt, dass am Anfang eine Kurzgeschichten-Sammlung stand.
Aber wodurch wird der Film denn dann zusammengehalten? Von der Idee, eine Hommage zu drehen an ein klassisches Zeitungsmagazin, eine feuilletonistische Lebenskunst-Wochenendbeilage - edel, witzig, literarisch über die Alltagsberichterstattung hinaus. Obwohl die Zeitungsredaktion in einer amerikanischen Mittelstadt spielt, ist hier vor allem das legendäre Großstadtmagazin "The New Yorker" Vorbild.

Dass aber im Filmtitel "French" vorkommt, liegt an der tiefen Bewunderung des amerikanischen Bürgertums für alles Europäische - und so ist der Magazin-Gründer im Film ein Verlegerssohn, der auf seiner Grand Tour als junger Mann Paris als Inbegriff der Kunst und Lebensart bewundert, so dass die von ihm gegründete "Franzöische Depesche" immer mit einem Standbein auch in Paris bleibt - von den 20ern über die cool-jazzigen 50er, die Studentenrevolution bis in die 70er.
fantastisch und skurril
In diesen Geschichten gibt es den radelnden Reporter, die exaltierte Kunstkritikerin, die einen Massenmörder fördert, dessen (nackte) Muse die Gefängniswärterin ist und der mit seinen Action-Malereien den Kunstmarkt verrückt macht, den literarischen Starautor, der immer zu lange Texte zu spät abgibt, den Feinschmecker und Kommissar und viele mehr.
Am Ende verlässt man das Kino in einem angenehm angeregten, leicht verwirrten Zustand, weil man glaubt, einen Faden verloren zu haben, den es nie gab: Denn "The French Dispatch" ist ein Märchen, eine wilde Impressionen-Sammlung und Nostalgie einer vordigitalen Zeit, als Zeitung noch nach Papier und Druckerfarbe roch, Redaktionen skurrilen Amtsstuben mit Linoleumboden glichen - und überall schräge Vögel lauerten, die man sich - zum Teil völlig unökononisch - leistete, weil man wusste, dass sie dem Blatt unverwechselbare Farbe(n) gaben.
Ist "The French Dispatch" also ein typischer Filmkritiker-Film? Nein, denn es gibt ja immer noch viele Leser, die Gedrucktes so lieben, dass sie sich gerne eine Hommage an den feuilettonistischen Edel-Journalismus und all seiner Skurrilitäten anschauen - wenn auch fantastisch und skurril übersteigert.
Kino: Rex sowie Maxim, ABC, City (dt. und OmU), Arena, Monopol (OmU) und Cinema, Museum (OV), R: Wes Anderson (USA, 108 Min.)
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