"Rodin": Zwischen Liebe und Lehm
Jacques Doillons toll besetztes Biopic "Rodin" kombiniert Beiträge aus dem Kunstlexikon mit Frauenleibern.
Es hat etwas Divenhaftes, wenn Auguste Rodin mit seinem langen weißen Mantel durchs Atelier rauscht, gefolgt von beflissenen Gehilfen. Heiliger Ernst füllt den Raum, in einem fort geht es ums Grundsätzliche, die große Schöpfung, und natürlich duldet der Meister keinen Widerspruch.
Mittlerweile kann er sich das erlauben. Um 1880, im Alter von 40 Jahren, hat der Bildhauer einigen Erfolg und nun mit dem "Höllentor" seinen ersten Staatsauftrag in der Tasche. Der Moment scheint gut gewählt, mit dem Regisseur Jacques Doillon sein Biopic "Rodin" beginnt. In solchen Phasen ist das Ego mit genügend Selbstbewusstsein gefüttert, um – in diesem Fall – frappierend frei zu agieren.
Das bekommen in erster Linie die Frauen zu spüren, die dem bodenständigen Charme des zupackenden Genius‘ reihenweise erliegen. Rose Beuret, Dauergefährtin und Mutter des nicht akzeptierten Sohnes, sorgt fürs Alltägliche, beklagt sich bisweilen über die zahlreichen Liebschaften, um ihren Kummer dann doch hinab zu würgen.
Séverine Caneele gibt dieser Dulderin eine so herrlich herbe Grandezza, dass man zu gerne etwas mehr über sie und den Klebstoff dieser eigentümlichen Beziehung erfahren hätte. Und wieder einmal ist Camille Claudelle (Izïa Higelin) dazu verdonnert, mit weit geöffneten Augen neben Rodin zu stehen, im verbindenden Element Ton batzelnd Bewunderung zu hauchen, um Jahre später – der Film weiß es viel zu früh – abgelegt und zerstört in der Irrenanstalt zu landen.
Überhaupt Ton. Allgegenwärtig ist dieses willige, jedem Impuls nachgebende Material, mit dem sich Rodin wahre Schlachten liefert. "Nur in der Arbeit finden wir die Schönheit", bekennt er, und wenn seine Anstrengung nicht ankommt, "steckt zu viel Leben" in den Skulpturen.
Das ist bereits die Auseinandersetzung mit der Kritik, die nicht ausbleibt und den Künstler im Fall des abgelehnten Balzac-Denkmals besonders hart trifft. Ansonsten hatte Hauptdarsteller Vincent Lindon in diesem Atelier- und Liebelei-Epos alle Hände voll zu tun. Fünf Monate lang ging der mit Preisen überhäufte Franzose täglich fünf Stunden in die Bildhauer-Lehre, war zigfach im Museum und ist so sehr in die Persönlichkeit des vor 100 Jahren verstorbenen Rodin eingetaucht, dass er sich, nächtens geweckt, womöglich für den Maître selbst hält.
Ein Lorbeerkränzlein möchte man ihm dafür flechten. Doch dieses Können verpufft in einem zusammenhanglosen Film, der neben ein paar Feststellungen aus dem Kunstlexikon vor allem sich räkelnde Frauenleiber präsentiert. Er mag ein rücksichtsloser, eitler Egomane gewesen sein. Aber dass Rodin, der die Plastik des 19. Jahrhunderts in die mitreißende Unmittelbarkeit befördert hat, sich am Ende von zwei zärtlichen Cousinen ins Kämmerchen abschleppen lässt, verpasst dem ganzen Unternehmen etwas ungemein Läppisches.
Regie: Jacques Doillon (F/B, 119 Min.)
Kinos: ABC, Theatiner (OmU)
- Themen: