Kritik

"Petite Maman" im Kino: Meine Mutter als Freundin

Ein schöner Film zum Sich-Tragen-Lassen: "Petite Maman -Als wir Kinder waren"
Margret Köhler |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Nelly (Joséphine Sanz) und ihre Mutter Marion beim Durchstöbern alter Schulhefte.
Nelly (Joséphine Sanz) und ihre Mutter Marion beim Durchstöbern alter Schulhefte. © Alamode Film

Am Anfang stand das Bild von zwei Mädchen, die ein Baumhaus bauen: Ausgangspunkt einer poetischen Zeitreise ohne Zeitmaschine. Nach dem ambitionierten, erotischen, barocken "Porträt einer jungen Frau in Flammen" vor drei Jahren taucht Céline Sciamma jetzt ein in die Welt der Kinder und erzählt eine komplizierte und gleichzeitig einfache Geschichte: Die achtjährige Nelly ist mit ihrer Mutter im Altenheim, wo gerade ihre Großmutter gestorben ist. Nur deren Gehstock bleibt als Erinnerung. In den Gängen und Zimmern sagt sie jedem der Insassen "Auf Wiedersehen".

Zurück im Haus der Großmutter findet die Achtjährige beim Aufräumen Spielsachen und Bücher ihrer Mutter Marion, die es aber aus Traurigkeit dort nicht mehr aushält und einfach wegfährt.

Seit Ihrem ersten Film "Wasserlilien - Der Liebe auf der Spur" geht es bei Sciamma um eine für die Beteiligten begrenzte Zeit, die sie für sich ganz besonders nutzen. So auch hier. Es ist Nellys Perspektive, die bestimmend ist - ob sie das verwunschene Haus erforscht, den nahen Wald oder auf das Baumhaus stößt.

"Petite Maman - Als wir Kinder waren": Tage wie im Märchen

Was steckt dahinter, wenn sie in einem magischen Moment in einem gleichaltrigen Mädchen, das ihr aufs Haar gleicht, ihrer eigenen Mutter begegnet, mit der sie sich anfreundet und Tage wie im Märchen verbringt? Nelly und Marion klettern auf Bäume, paddeln mit einem Boot herum, stromern alleine durch den Wald, ein Gegensatz zu den Klischeevorstellungen von zerbrechlichen kleinen Mädchen.

Die Kraft des Films liegt in seiner Leichtigkeit, mit der er fast unmerklich in eine Fantasiewelt entführt. Verrätselt und zärtlich erzählt die Französin von Kindheitsträumen und Kindheitstraumata, von Abschied und Entdeckung der Identität. Das kindliche und intime Spiel mit Zeit und Wahrnehmung wird durch Gedankenspiele, Erinnerungen und kleinen Zeichen zum Ausflug in die Vergangenheit, die sich mit Gegenwart und Zukunft vermischt, wenn die Mädchen generationenübergreifend ihr ganz persönliches Abenteuer erleben, weit weg von der Realität der Erwachsenen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die Besetzung ist ein Glücksfall

Ein Glücksfall ist die Besetzung mit den Zwillingen Joséphine und Gabrielle Sanz, die beide noch nie vor der Kamera standen, aber intuitiv und scheinbar mühelos jede Emotion rüberbringen. Für rationale Gemüter mag es schwierig sein, dem Mysterium der Kinder zu folgen und wer auch nur versuchen sollte, jedes Detail zu verstehen, ist verloren. Es gibt eben Filme, in die muss man sich hineinfallen und von ihnen tragen lassen, ohne das Ziel zu kennen: wie eben bei "Petite Maman", einem großen Wurf mit leiser Wucht, herzergreifend und künstlerisch fein. Wie heißt es etwas zu Tode zitiert, aber oft wahr bei Saint-Exupérys "Der kleine Prinz"? "Man sieht nur mit dem Herzen gut."

Kino: ABC, Arena, City, Theatiner (OV) R: Céline Sciamma (F, 73 Min.)

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.