Niki de Saint Phalle: Durch die Hölle ins Licht
Ihre "Nanas" kennt wohl fast jeder, im Stil der Pop Art geschaffene, bunte, voluminöse und sinnliche Frauenkörper mit stark ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen, die für Lebenskraft und Weiblichkeit stehen.
Ihre Schießbilder sorgen für einen Skandal
In drei Kapiteln, beginnend im Jahr 1952, erzählt Céline Sallette in ihrem ungewöhnlichen Biopic von einem prägenden Lebensabschnitt der französisch-schweizerischen Künstlerin Niki de Saint Phalle (1930 - 2002) bis in die 1960er Jahre und von der heilenden Wirkung durch Kunst. Die junge Frau ist mit Ehemann und Tochter von USA nach Frankreich gezogen und arbeitet als Model, hat es bald satt, angestarrt und wie ein Objekt behandelt zu werden.

Sie will hinein ins wirkliche Leben, wird aber von den Dämonen der Vergangenheit verfolgt. Trotz der Entfernung zu ihrer Familie suchen sie die Erinnerungen an ihre Kindheit heim, an den Missbrauch durch den Vater, den sie erst 1994 als 64-Jährige öffentlich machte. "Sie hat ihren Vater nie zur Rede gestellt, in der Familie warf man ihr Lüge vor.
Fürchterliche Gewalt in der Familie
Es muss furchtbare Gewalt geherrscht haben, ihre jüngere Schwester und ein jüngerer Bruder begingen Selbstmord", sagt Regisseurin Sallette. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sie unter ihrem Bett Messer und Waffen hortet. Als ihr Mann diese entdeckt, kommt sie in psychiatrische Behandlung und in ein Krankenhaus in Nizza, wo man sie mit Elektroschocks behandelt. Niki de Saint Phalle verstummt, statt zu sprechen, drückt sie sich durch Zeichnungen aus. Sallette feiert die Geburt einer Künstlerin, feministischen Avantgardistin, bei der Kunst zur Katharsis wird, als Erlösung für Schmerz und Wut.

Sehr behutsam folgt sie in ihrem Regiedebüt dieser Frau auf dem Weg zur Selbstermächtigung, die sukzessive versucht, sich von ihren Traumata zu befreien und langsam wie aus einem Kokon in eine neue Existenz schlüpft. Mit ihren "Schießbildern", Gipsreliefs mit eingearbeiteten Farbbeuteln, auf die sie während der Vernissage schoss, und bei Aktionen auch andere animierte, sorgte sie für einen Skandal. Die Zerstörung ihres Kunstwerks "La mort du Patriarche" ist auch ein Stück Befreiung von seelischen Last.
Erst gilt sie als "Frau eines Schriftstellers, die ein bisschen malt", das ändert sich als die Ehe in die Brüche geht und sie in Paris in die Künstlerszene vom Montparnasse eintaucht, Affären hat und als einzige Künstlerin zur Gruppe des "Nouveau Réalisme" stößt. Langsam findet sie ihr Selbstvertrauen und ihre spezielle Kunstform fernab von konventionellen Galeristen.

Die Kanadierin Charlotte Le Bon, selbst bildende Künstlerin, verkörpert diese ambivalente Persönlichkeit mit größter Intensität, Intuition und tiefer Abgründigkeit. Ihr Leben sollte groß sein, wie Niki in einer Szene sagt. Und das war es auch.
Dass die Erben untersagten, Niki de Saint Phalles Kunst im Film zu zeigen, ist bedauerlich, aber bei dieser emotional starken Geschichte verschmerzbar. "Ich war zwar frustriert über die Absage", gibt Sallette zu, die sich auf die Transformation der Protagonistin konzentriert, darauf, "wie sie die berühmte Niki de Saint Phalle wurde, sich durch ihr kreatives Schaffen veränderte. Ein Weg durch die Hölle zum Licht."
R: Céline Sallette (F 98 Min.); Kinos: ABC, City Atelier, Leopold, Theatiner (OmU)
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