"Leander Haußmanns Stasikomödie": Mit Albernheit gegen die Diktatur
Wenn es um Deutschlands Osten geht, lässt sich Leander Haußmann die Deutungshoheit nicht nehmen: Nach seinem Kino-Hit "Sonnenallee" und dem nicht so ganz erfolgreichen "NVA" knöpft er sich jetzt die Stasi vor, aber nicht im kritischen Rückblick, sondern als bunte Farce.
Wie so viele nach der Wende will auch der Romanautor Ludger Fuchs ein Widerständler gegen das System gewesen sein. Der Einblick in seine dicke Stasi-Akte im Kreise der Familie endet allerdings peinlich. Ein intimer Liebesbrief sorgt für Stress mit der Gattin und der Mann geht einmal an die frische Luft, wo er tief durchatmet und sich an seine Jugend erinnert.
Haußmann wirft einen sehr subjektiven Blick auf die Stasimachenschaften
"Ostberlin 1980. Trotzdem scheint die Sonne". So beginnt die Rückschau in die alternative Künstlerszene am Prenzlauer Berg. Erst einmal eine skurrile Situation. Die Ampel steht an der menschenleeren Straße auf Rot, der junge Ludger wartet brav und wird gefilmt. So ein Verhalten gefällt den Stasi-Oberen, die ihn als Undercover-Spitzel rekrutieren.
Schnell verfällt der schüchterne Knabe dem Reiz der Bohème und seiner verführerischen Nachbarin. Haußmann, der diesen Film als seinen persönlichsten bezeichnet, wirft einen sehr subjektiven Blick auf die Stasimachenschaften, lässt die Menschenverachtung oder den Folterknast Hohenschönhausen außen vor.
Ausufernde Parodie auf das spießige Bonzentum in der DDR
Für ihn ist Lachen das einfachste Mittel, Diktaturen, Geheimdienste und Autokraten zu entlarven und zu besiegen, auch wenn er nicht immer ganz stilsicher zwischen Humor und Albernheit laviert. So zeigt er die Herren mit den Schlapphüten nicht als Monster, sondern lieber als Karikaturen.
Allen voran Führungsoffizier Siemens, der sich die Einsamkeit wegsäuft und nichts von der Zweigleisigkeit seines Schützlings merkt, eine komisch-tragische, aber auch bösartige Figur. Und wenn sich auf einer Geburtstagsfeier Stasi-Minister Erich Mielke als Sonnenkönig feiern lässt und kostümierte Gestalten ihn singend umringen, wird das eine sehr ausufernde Parodie auf das spießige Bonzentum in der DDR. Im bizarren Personaltableau fehlt auch der dämliche Polizeimeister Horkfeld nicht, wie in "Sonnenallee" vom stoischen Detlev Buck dargestellt.
Viel stimmiger dagegen ist die Atmosphäre in der Parallelwelt von Party, Poesie und Nonkonformismus. Das naive Stasikerlchen taucht ein in das lockere Revoluzzer-Ambiente, verfolgt mit großen Augen eine Lesung von US-Poet Allen Ginsberg in einer Altbauwohnung, hängt auch schon mal in einer Schwulenkneipe ab, trinkt schicken "Rosé" (zusammen gekippten Rot- und Weißwein) und lernt schnell den Tanz auf dem Erotikparkett.
Henry Hübchen als desillusionierter Stasi-Vorgesetzter ist unschlagbar
Das Pfund mit dem der Film wuchern kann, ist die Top-Besetzung und die sympathischen Spiellust, die manche Überzeichnung wegwischt: David Kross als Neu-IM, der zwischen seinem Auftrag und der Neigung zum Schreiben laviert und mit seiner Biografie Assoziationen an den Lyriker Sascha Anderson weckt, dessen Stasitätigkeit Anfang der 1990er Jahre von Wolf Biermann enttarnt wurde. Henry Hübchen als sein desillusionierter Stasi-Vorgesetzter ist unschlagbar wie auch Alexander Scheer als Travestiekünstler in Samt und Seide, nicht zu vergessen Jörg Schüttauf als angegrauter und selbstgefälliger Protagonist, der plötzlich vor einer Lebenslüge steht.
Leander Haußmann, wie sein Vater und Schauspieler Ezard selbst von der Stasi bespitzelt, arbeitet ein Stück DDR-Geschichte sehr eigenwillig mit einer Portion Ironie und Anarchie auf. Ihr Fett kriegen beide Milieus ab: die Spießer-Stasi wie die selbst ernannten Rebellen.
Regie: Leander Haußmann (D, 115 Min), Kinos: Astor FilmLounge im Arri, City Atelier, Mathäser, Monopol, Rio Filmpalast
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