Hello I am David: Lächeln, spielen, küssen
Solange er Cola und Tee hat, geht’s ihm gut. Kugelschreiber sind auch nicht schlecht. Plus Papier zum Kritzeln. Mit solchen Vorlieben fällt man nicht aus dem Rahmen. Wer allerdings vor sich hinplappert, jeden Halbsatz dreimal wiederholt und Menschen um den Hals fällt, gilt als plemplem. Außer es ist David Helfgott.
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Der australische Pianist, dessen tragische Geschichte zwischen Klavierdrill und Nervenheilanstalt vor zehn Jahren in die Kinos kam („Shine“) und einen Oscar einbrachte, rührt die Herzen von Sydney bis Stuttgart. Außer man gehört zur Klientel derer, die aus Bammel vor Kuschelangriffen – und da nimmt sich die Rezensentin nicht aus – schnell mal die Straßenseite wechseln. Solche Hasenfüße tauchen in Cosima Langes Filmdoku „Hello I am David!“ natürlich nicht auf, da gucken alle beseelt.
„Die Welt braucht Außenseiter“, bringt es ein mit den Helfgotts befreundeter Psychologe auf den Punkt. Dem mag man keineswegs widersprechen. Nur gibt im kunstvollen Zusammenschnitt all der Hymnen vom wunderlichen wie liebevollen und insgeheim genialen David niemand zu, dass dieser Mann auch eine Nervensäge ist. Ein einziges Mal schwenkt die Kamera zur sichtbar strapazierten Gattin, der Astrologin Gillian (85), die seit November 1983 – da führten die Sterne das ungleiche Paar für immer zusammen – auf ihren „kleinen Lümmel“ (67) aufpassen muss. Wenn der nicht gerade am Klavier sitzt und angeblich keine Vorstellung davon hat, wie schwierig es ist, was er da tut.
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Helfgotts Spiel sei nicht von „Perfektion geprägt“, bemerkt der kluge Manager. Braucht es auch nicht, Hauptsache, dem Publikum gefällt’s, wenn er mit seiner „urwüchsigen Musikalität“ Gefühle entfacht. Und wer mit dem emotional-impulsiven David und diesem irrealen realen Märchen nichts anfangen kann, wechselt eben statt der Straßenseite den Film.
Kino: Studio Isabella R: Cosima Lange (D, 98 Min.)
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