Filmkritik: Tigermilch - Wilde Romanverfilmung über Freundschaft und Erwachsenwerden

Ute Wieland verfilmt Stefanie de Velascos Roman „Tigermilch“ über Freundschaft und Erwachsenwerden zweier wilder Mädchen.
Schulmilch + Maracujasaft + Weinbrand = "Tigermilch". So nennen Nini (Flora Li Thiemann) und Jameelah (Emily Kusche) ihre wilde Lieblingsmischung. Die Zutaten spiegeln den Daseinszustand der Vierzehnjährigen: Milch aus Kindertagen, die zu Ende gehen. Alkohol fürs Erwachsenseinwollen, in das sie hinein katapultiert werden. Und der zuckersüße Fruchtsaft steht für die Vitalität ihres Teenagerlebens.
Stefanie de Velascos "Tigermilch" ist ein Roman, der Eltern in den Herzinfarkt treiben könnte und klingt nach einem übersteuerten Jugenddrama. Aber der wilde Plot fügt sich harmonisch in einen zärtlichen Realismus ein, mit dem Roman wie auch die Verfilmung auf die innige Freundschaft der Mädchen und deren soziales Umfeld blicken. Ninis Mutter liegt den ganzen Tag auf dem Sofa, während die kleine Halbschwester heimlich am Eierlikör nippt. Ganz andere Sorgen hat Jameelah, die mit ihrer Mutter vor zehn Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist und um die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bangt. Die Qualität von Wielands Film ist, dass sie von all dem ohne sozialkritische Ausrufezeichen erzählt und narrativ wie visuell in die Perspektive der Teenager eintaucht. Ein gemeinsam beobachteter Mord und die drohende Abschiebung sind die Ereignisse von außen, die die Freundschaft der Mädchen auf eine Probe stellen und sie schneller als gewollt erwachsener werden lassen. Eine solche Coming-of-Age-Dramaturgie kann schnell hölzern wirken, aber das Konzept wird auf der Leinwand mit Leben gefüllt und das ist vor allem dem jungen Ensemble zu verdanken. Mutig ist auch die Schlusswendung, die zu Gunsten der Realität auf Happy-End-Konventionen pfeift, tief in die Pathoskiste greift und den Freundinnen ein herzzerreißendes Finale beschert.
Kino: Cinemaxx, Leopold, Mathäser, Monopol, Royal