Eröffnung der Filmfestspiele in Cannes: "Filme waren mein Rettungsring"

Die Eröffnung der Filmfestspiele in Cannes bedeutet nichts weniger als eine Wiedergeburt des Kinos.
Adrian Prechtel
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Pink Power: Jurypräsident Spike Lee kommt mit den Jurymitgliedern Maggie Gyllenhaal (li.), Melanie Laurent und Jessica Hausner (rechts) zur Eröffnungsfeier der 74. internationalen Filmfestspiele in Cannes.
Pink Power: Jurypräsident Spike Lee kommt mit den Jurymitgliedern Maggie Gyllenhaal (li.), Melanie Laurent und Jessica Hausner (rechts) zur Eröffnungsfeier der 74. internationalen Filmfestspiele in Cannes. © Brynn Anderson/AP/dpa

Cannes - Drei Typen soll es geben: die, die nach der Distanzphase der Pandemie auf Sicherheitsabstand bleiben wollen, diejenigen, die etwas Distanziertheit retten wollen und den Faustgruß beibehalten und natürlich die, die nach Nähe und Umarmung lechzen.

Umarmungen in Cannes

Cannes selbst hat die Richtung vorgegeben und über die Hauptstraßen Großplakate mit Filmküssen gehängt, wie dem zwischen Romy Schneider und Alain Delon halbnackt aufeinanderliegend in "Swimming Pool".

Ganz so extrem ging es dann auf dem Roten Teppich zur Eröffnungsgala nicht zu. Aber Festivaldirektor Thierry Frémaux umarmte dann doch seine Lieblingsgäste.

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Und Cannes wäre nicht Cannes, wenn es nicht gelingen würde trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, kombiniert mit Corona-Vorsichtsmaßnahmen, das Festival auf die Minute pünktlich um 19.30 Uhr zu eröffnen - vor 2.300 Gästen im Grand Théatre Lumière, und noch live übertragen in den zweiten Saal mit 1.100 Plätzen. Alles ohne Schachbrett oder 1,5 Meterabstand, aber mit Maske am Platz.

Eine Wiedergeburt des Kinos

Dabei war allen anzumerken, dass für sie die diesjährige Eröffnung des größten Filmfestivals der Welt auch eine Wiedergeburt des Kinos überhaupt ist. Umso überraschender war es, dass Cannes wieder Französisch als Festivalsprache wiederentdeckt hat.

So verstanden viele Jodie Fosters Dankesrede zur Verleihung der Goldenen Palme für ihr Lebenswerk nur bruchstückhaft, weil Foster in perfektem Französisch sprach, aber das aussprach, was alle fühlten:

"Filme sind mein Rettungsring gewesen in dieser Zeit der Separierung. Und jetzt sind wir noch bewusster vereint als zuvor. Kino wird immer ein Ort des Berührens, Verbindens und Reflektierens bleiben. Und die Zukunft wird uns gemeinsam weitertragen, ja gemeinsam!"

Bloß kein Streaming! Was zählt, ist die ganz große Leinwand

Nach diesem wunderbaren Auftakt blieb die Frage, welchen Film Cannes als Neustartfanfare angesetzt hatte.

Und als nach gut zwei Stunden das Musical "Annette" von Leos Carax gegen 23 Uhr zu Ende ging, wurden im Galasaal Marion Cotillard und Adam Driver natürlich stehend beklatscht. Im Pressesaal dominierte eine irritierte Atmosphäre, die dazu führte, dass es sehr still blieb.

Was hatte man da gesehen? Ein Märchen über einen Mann, den zu große Liebe überfordert, den es nervös macht, dass seine Frau und Opernsängerin ihn überstrahlt und der daher zum (Eifersuchts-)Mörder wird?

Oder war es eine Parabel auf die Starwelt, die so große selbstverliebte Egos hervorbringt, dass Partnerschaft nicht funktionieren kann und Kinder als Starzirkus-Attraktionen missbraucht?

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Was war das für ein Genre?

Und was war das Ganze überhaupt für ein Genre? Fantasy - weil viele surreale, kulissenhafte Elemente eingebaut sind, bis hin zur Tochter Annette, die hier eine rätselhafte Holzmarionette ist. Krimi - weil Adam Driver doch drei Morde begeht? Und war das ganze überhaupt ein Musical?

Klar: Marion Cotillard singt, wenn auch in den Opernpartien synchronisiert, und sie singt angenehm natürlich. Adam Driver wiederum kann nicht gut singen, was besonders in den Rezitativen auffällt.

Denn die Glamrock-Popper von Sparks haben fast alle Texte und Dialoge durchkomponiert und dabei ihren Disco-Popstil der 80er teilweise leicht angerappt, so dass sich eine witzige musikalische Wolke über alles legt.

Kino muss auch mal wild und experimentell sein

Und zugegeben, all diese Ingredienzien ergeben keinen klaren, runden Geschmack. Aber ist es nicht genau das, was Kino auch sein kann und manchmal auch muss: wild (mit klarem Sex), formal experimentell und emotional "bigger than life".

"Annette" jedenfalls kann nur - auch mit allen seinen skurrilen Details - auf der großen Leinwand und mit großem Ton funktionieren.

Und all das ist ja schon ein Signal, das von Cannes ausgeht. Da ist es auch weiterhin konsequent, dass Filme, die vorwiegend für Streaming-Plattformen produziert worden sind, hier weiterhin tabu sind.

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