Kritik

Doku "Pornfluencer": Sex als Geschäftsmodell

Joscha Bongards Doku "Pornfluencer" gewährt schockierende Einblicke in eine moderne Sex-Industrie.
Florian Koch |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Kamera an für die Liebe von Nico und Jamie.
Kamera an für die Liebe von Nico und Jamie. © Foto: Dok.Fest

"Katzen sind wie Frauen. Wenn du ihnen hinterherrennst, fängst du sie nicht. Du musst dich unsichtbar machen. Dann laufen sie dir hinterher." Unangenehme Lehrsprüche von Beziehungs-Coaches, sogenannten Pick-Up Artists, tummeln sich zu Tausenden auf Plattformen wie YouTube. Nico, ein zurückhaltend wirkender, ständig lächelnder junger Mann mit sanfter Stimme hat sie bereits in jungen Jahren inhaliert.

Mit Erfolg, würde er sagen. Denn in seiner streng kapitalistischen Weltsicht macht er alles richtig: Häuschen im Ausland (Zypern) und ein gesichertes Einkommen auch ohne langwierige Ausbildung. Nur über sein Geschäftsmodell sollten bisher nur wenige Bescheid wissen. Denn er und seine Freundin Jamie sehen sich als "Pornfluencer". Als ein junges Paar, das sein Einkommen von ca. 10.000 Euro monatlich mit privaten Sexfilmen verdient, die man gegen Geld auf einer Website herunterladen kann.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Milliardengeschäft Internet-Pornos - von wegen alles einvernehmlich

Die Pornobranche ist im Internet längst ein Milliardengeschäft. Ein Renner sind dabei die Verified-Couple-Videos, Amateur-Sexfilmchen, die den Blick ins Schlafzimmer ganz normaler Paare zulassen und auch nicht unter Zwang entstehen. Angeblich. Wie die herausfordernd-intime Dokumentation von Joscha Bongard beweist, kann der sorgsam inszenierte Anschein einer Einvernehmlichkeit auch täuschen.

Im Stile eines Horrorfilms dekonstruiert der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg die toxische Beziehung von Nico und Jamie. Zu Beginn fällt bereits auf, dass Nicos kindlich kichernde Partnerin kaum zu Wort kommen darf. Er, der Macher seiner Sex-Sells-Verkaufsstrategie, erklärt stolz, wie er die damals 18-Jährige dazu überredet hat, sich vor der Kamera zu entblößen.

"Pornfluencer": Ein beängstigendes Filmerlebnis

Mit gerade noch harmlosen TikTok-Videos von Jamie, werden die User per Link auf Twitter gelotst, wo man wieder per Klick zum härteren, kostenpflichtigen Content kommt. Während Nico all diese Details wie ein ausgekochter Manager herunterbetet, sieht man Jamie an, dass ihr das Porno-Leben vielleicht doch nicht so viel Spaß macht wie behauptet.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Nico, der gelernt hat, sich am Morgen vor dem Spiegel wie ein Sektenguru aufzuputschen ("Ich verdiene es reich zu sein!") scheinen die zarten Zweifel seiner devoten Partnerin egal. Und mehr noch entblößt der misogyne Manipulator bald wie ein Film-Psychopath seine patriarchalische Weltsicht: "Aus evolutionären Gründen mögen es Frauen, wenn Männer ihre Gene weit verbreiten." Was die Doku jedoch von den meisten Hollywood-Schockern unterscheidet, ist das fehlende Happy End. Und das macht "Pornfluencer" zu einem wahrlich beängstigenden Filmerlebnis.


Montag, 9. Mai, 20.30 Uhr, Neues Maxim, Q & A mit Regisseur Joscha Bongard; Mi., 21 Uhr, City 2

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.