Nawalny-Film auf dem Dok.fest München: Politischer Robin Hood

Ein faszinierendes Porträt, dem man atemlos zuschaut: Das 37. Internationale Dok.Fest München eröffnet am heutigen Mittwoch mit Daniel Rohrers Doku über Alexej Nawalny.
| Margret Köhler
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Rückflug nach der Genesung in Deutschland mit in diesem Moment noch unbekanntem Ausgang: Aber wir wissen, was Nawalny in Moskau erwartet hat.
Rückflug nach der Genesung in Deutschland mit in diesem Moment noch unbekanntem Ausgang: Aber wir wissen, was Nawalny in Moskau erwartet hat. © Dokfest

München - Ein fast unglaubliches Szenario: Da greift der Staatsterror in Russland zu einer ungewöhnlichen Methode, um den wichtigsten Kritiker und Konkurrenten des Kreml-Diktators Putin auszuschalten, präpariert dessen blaue Unterhose mit dem Nervengift Nowitchok, das als "Putins Signatur" gilt. 

Notlandung in Omsk rettete Nawalny das Leben 

Hätte sich Bond-Erfinder Ian Fleming so eine hanebüchene Story ausgedacht, wäre sie wohl als zu fantasievoll abgetan worden. Aber nichts ist spannender als die Wirklichkeit, das beweist dieser Dokumentarfilm, der das brutale System Putin gnadenlos demaskiert. Der richtige und aktuelle Eröffnungsfilm des DOK.fest München im Deutschen Theater.

Die Fakten sind bekannt. Russlands bekannter Oppositionsführer Alexej Nawalny befand sich im August 2020 auf dem Weg von Sibirien nach Moskau, als seine Schmerzensschreie durchs Flugzeug hallten und eine Notlandung in Omsk ihm das Leben rettete. 

Nawalny wird in zwei Scheinverfahren zu über zehn Jahren Lagerhaft verurteilt 

Die russischen Nachrichtenagenturen servierten Lügen von einem niedrigen Blutzuckerspiegel und dem Genuss "amerikanischer Antidepressiva" und Drogen wie Kokain. Seine Frau erreichte eine Überführung in die Berliner Charité, nach erfolgreicher Behandlung und Genesung fühlte sich Nawalny trotz Warnungen als Politiker verpflichtet, nach Russland zurückzukehren, es folgte die Verhaftung nach der Landung am 17. Januar 2021. Inzwischen wurde er in zwei Scheinverfahren zu über zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Er wird, so lange der von US-Präsident Biden als "Massenmörder" bezeichnete Putin an der Macht ist, kaum freikommen.

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Fünf Monate begleitete der Kanadier Daniel Rohrer hautnah den kompromisslosen Charismatiker. Auch dessen einstige Verbindungen zur rechten Szene kommen zur Sprache. Der Film konzentriert sich auf die Zeitspanne zwischen Anschlag, Aufenthalt in Deutschland und Rückkehr, vor allem auf die Zeit, in der sich Nawalny im Schwarzwald erholt und weiter seinen Videoblog betreibt, Tage mit seiner Familie verbringt.

Wer hatte wann wo seine dreckigen Finger im Spiel?

Unter Mithilfe von Christo Grozev - Ermittler bei Bellingcat, einer internationalen Rechercheplattform, die schon beim Prozess um den Tiergartenmord in Berlin Erkenntnisse beisteuerte - werden akribisch die Identitäten des Killerkommandos aufgedeckt, wer wann wo vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB seine dreckigen Finger im Spiel hatte.

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Rohrer ist dabei, wenn Nawalny die beteiligten Agenten anruft, die sofort auflegen. Anders der Chemiker Konstantin Kudryavtsev, bei dem sich Nawalny als Assistent von Sicherheitschef Nikolai Patruschew ausgibt. Ein Höhepunkt, wie der autoritätsgläubige Düpierte offen über die gescheiterte Aktion plaudert und Insider-Details bekannt gibt (so sollte das Gift in der Leistengegend wirken). Ob dieser Absurdität kann man nur den Kopf schütteln. Der gesprächsfreudige Mann ist seitdem verschwunden.

Ein faszinierendes Porträt, dem man atemlos zuschaut

Absurd auch die Archivaufnahmen, in denen Putin sich windet, den Namen seines Widersachers zu nennen und "von dieser Person, die Sie gerade erwähnt haben" murmelt. Dass inzwischen auf einschlägigen Foren von Putin-Verstehern gegen den Film gehetzt wird, wundert nicht.

Beim Mix aus persönlichen Eindrücken, Archivmaterial, TV-Nachrichten, Interviews mit Nawalny, seiner Frau und Mitstreitern ist vieles bekannt, aber die kompakte Aufbereitung beleuchtet den Fall noch einmal mit packender Intensität. Ein faszinierendes Porträt, dem man atemlos zuschaut. Der 45-Jährige weiß, wie man sich in Szene setzt, lässt sich nicht einschüchtern. Mutig ruft der Kämpfer gegen Machtmissbrauch und Korruption sogar noch aus dem Straflager auf, gegen den "Krieg eines tollwütigen Verrückten" zu protestieren.

Ob seine Botschaft: "Habt keine Angst, gebt nicht auf, Nichtstun ist das Schlimmste" die Menschen in Russland erreicht, ist bei russischer Zensur und Repression fraglich. Andersdenkende verschwinden schnell hinter Gittern.


Am Mittwoch (4. Mai, 20 Uhr) im Deutschen Theater, Do, 5. Mai, 20.30 Uhr, im Rio 1, Di, 10. Mai, 21 Uhr, im Atelier 1, Fr, 13. Mai, 21 Uhr, im Deutschen Theater, Sa, 14. Mai, 18 Uhr, HFF - Kino 1. Infos und Karten: www.dokfest-muenchen.de

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