Kritik

Disneys "Encanto": All die schönen Gaben

Der neue Disney-Film "Encanto" ist ein ziemlich zauberhaftes Musical, natürlich für die ganze Familie.
Michael Stadler |
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Die Familie Madrigal in "Encanto" mit Tochter Mirabel im Vordergrund.
Die Familie Madrigal in "Encanto" mit Tochter Mirabel im Vordergrund. © Disney

Im Hause Disney hatte das Wort "Animation" schon immer weitreichende Bedeutung. Nicht nur, dass mit altem Zeichentrickhandwerk und neuer Computertechnik ganze Welten erschaffen werden, nein, sogar Gegenstände wurden immer wieder wunderbar belebt. In "Encanto" ist es sogar ein ganzes Haus, das Haus der Familie Madrigal, das ein Eigenleben führt.

Das Haus hat ein Eigenleben

Seine Fensterläden klappen zum Gruße auf und zu, die Fliesen können sich auf- und abheben, so dass etwa die Stühle fürs Frühstück an ihren richtigen Platz geruckelt werden. Da kommen Morgenmuffel ins Schwärmen. Und auch für Musicaleinlagen eignet sich das Haus hervorragend: Da klappert und wackelt alles im Rhythmus, und es hat natürlich mehr Schwung, wenn die junge Mirabel nicht einzelne Stufen herabstapfen muss, sondern sich die Treppe glättet, so dass sie elegant heruntersliden kann.

Das Dorf, in dem das Haus liegt, trägt den spanischen Namen Encanto, was auf Deutsch Zauber bedeutet, aber auch Charme, was dieser 60. Disney-Animationsspielfilm bei aller professionellen (Treppen)glätte durchaus hat.

Jedes Familienmitglied hat eine magische Gabe

Auch die Familie Madrigal ist von Magie durchdrungen: Jedes Mitglied hat eine Gabe, die ihm eines Tages in einem Initiationsritus verliehen wurde. Mirabels Mutter kann zum Beispiel mit ihren Kochkünsten Wunden heilen. Ihre älteste Tochter Isabela kann um sich herum zig Blumen aufblühen lassen. Die zweitälteste, Luisa, ist so kräftig, dass sie das Haus hochheben kann. Einzig Mirabel, die jüngste, ging bei ihrer Initiation leer aus, was sie natürlich traurig macht.

Man ahnt dann schon, wohin die Heldinnenreise gehen wird. Aber wer tatsächlich glaubt, dass Disney zu Weihnachten nicht die frohe Botschaft verkünden wird, dass jedes Kind, spezielle Gabe hin oder her, für sich ganz besonders ist und seinen Sonnenplatz in der Familie verdient hat, der kann nicht alle sprechenden Tassen im Schrank haben.

Trotzdem gibt es einen Haken...

Zuvor braucht es jedoch Konflikte: Im Hause Madrigal ist was faul. Mirabel beschleichen Visionen, in denen Risse sich durch den Boden und die Gemäuer des Hauses ziehen, so, wie bald Risse im Familiengefüge entstehen.

Die 15-Jährige wird zur Detektivin, die auf Spurensuche geht, um herauszufinden, welche Katastrophe da naht. Ihre Oma steht ihr dabei im Weg, und es macht die Erzählkunst des mehrköpfigen Drehbuch- und Regieteams aus, dass auch alle anderen Familienmitglieder in Mirabels Recherche involviert werden. Allein schon aus Selbstinteresse, denn ihre Talente fangen an zu schwinden.

Dabei zeigt sich, dass im Segen der Gabe schon immer der Fluch lauerte. Die superstarke Luisa etwa singt in einer der knallbunt-überschäumenden Musical-Nummern davon, dass sie unter dem Erwartungsdruck der anderen leidet. Ist da das Herab-Schwächeln auf Normalkraft nicht sogar wünschenswert?

Filmkomponist ist kein Unbekannter

Zu jenen, deren Talente offenbar kein Verfallsdatum haben, gehört Lin-Manuel Miranda. Er ist der kreative Kopf hinter den Erfolgsmusicals "In the Heights" und "Hamilton", sein Regiedebüt "Tick, Tick… Boom!" ist seit kurzem auf Netflix abrufbar, wo auch der Animationsfilm "Vivo" mit Miranda als Sprecher und Komponisten der Songs im Content-Wust herumliegt. Nachdem er schon für den Disney-Film "Vaiana" (2016) einige Songs beigesteuert hat, war Miranda jetzt für die "Encanto"-Songs zuständig. Der von lateinamerikanischen Rhythmen durchsetzte Sound, die rasant vorgetragenen Textzeilen tragen seine Handschrift.

Wenn im Frühjahr die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden, wäre es schon ein fieses Wunder, wenn der Name Lin-Manuel Miranda nicht fallen würde. Wobei ihm ein magischer Ohrwurm wie "Let It Go" aus Disneys "Die Eisprinzessin" nicht eingefallen ist.

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Perfektion ist nicht alles

Ganz perfekt ist "Encanto" nicht, aber wer möchte auch schon perfekt sein? Man muss nur Mirabels Schwester zuhören, wie sie über die Bürde ihrer vollkommenen Schönheit klagt. Auch sie leidet unter Druck. Und sieht ganz erfreut aus, als sie anstatt der üblichen Prachtblumen einen kleinen grünen Kaktus zaubert.


Kino: Cadillac, Royal sowie Cinemaxx, Mathäser (auch 3 D), (USA, 103 Min.)

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