Dietmar Holzapfel über den Film "Fassbinder" von Annekatrin Hendel
Dietmar Holzapfel von der "Deutschen Eiche" hat sich die Dokumentation über Rainer Werner Fassbinder angesehen
Zugegeben: Einen Film „Fassbinder“, der in Coproduktion mit der Fassbinder-Foundation entstand, den schaut man schon eher skeptisch an. Dazu muss man wissen, dass die letzte Cutterin des großen Filmemachers, Juliane Lorenz, mit ihrer Foundation wie eine Glucke auf den Filmrechten hockt, die sie Fassbinders Mutter und Erbin abgeluchst hatte. Sicherlich kümmert sie sich um das Erbe des berühmten Künstlers irgendwie. Uneigennützig nicht – und auch oft sehr einseitig, zum Teil fast geschichtsklitternd.
Der Film „Fassbinder“ von Annekatrin Hendel schafft es aber, den Werdegang Fassbinders in wichtigen Stationen dazustellen. Da RWF sein Leben aber in mindestens doppelter Geschwindigkeit lebte, dabei ungeheuer produktiv war, ist es fast unmöglich, diesem komplexen Leben in nur 90 Minuten auch nur annähernd gerecht zu werden. Notgedrungen fällt da das Eine oder Andere weg. Da Fassbinder ja eigentlich mit seinen Filmen sein eigenes Leben verarbeitet hat, wäre eine Darstellung seiner Kindheit und Jugend sicherlich sehr interessant gewesen – aber hier sieht man eben die Schere im Kopf von Frau Lorenz. Doch dazu später mehr.
„Fassbinder“ lebt von den starken Zitaten der Zeitzeugen. Wenn Irm Hermann etwa schildert, wie sie dem großen Theater- und Filmdompteur nahezu total verfallen war, dann klingt das auch heute noch so echt und überzeugend, dass klar wird, welche Magie Fassbinder auf Menschen ausüben konnte. Sehr selbstironisch erzählt Harry Baer, wie er 1969 zum „action-theater“ in der Müllerstraße 12 dazustieß, wie er sich über Fassbinders Heiterkeit wunderte und erst spät merkte, dass dieser sich über seine langsame Aussprache lustig machte!
Schön auch, dass Peer Raben als erster Theaterchef erwähnt wird, der später dann die Musik für so viele Fassbinder-Filme komponierte. Oder auch, dass erste Stücke genannt werden, wie „Der Stadtstreicher“ und die „Bettleroper“ – letztere schon im „antitheater“ in Schwabing.
Hanna Schygulla spricht liebevoll. Andere sind härter
Höhepunkte des Films über Fassbinder sind seine eigenen Zitate. Wieso er sein Theater „antitheater“ nenne, wird er gefragt. Es geht ihm eben nicht nur darum, gegen das antiquierte Theater zu sein, sondern er ist auch gegen Staat, Gewalt und Krieg. Zurecht wird hier Fassbinders Beitrag zu „Deutschland im Herbst“ gebracht. Deutschlands Filmemacher brachten 1978 Filme, wie sie unser Land unter RAF- Terror und dem immer restriktiveren Staat sahen.
RWF drehte seinen Teil in der Reichenbachstraße 12, in der Wohnung, in der er erstmals mit einem geliebten Menschen zusammengelebt hatte. Mit seinem Armin, den er als Schankkellner in der gegenüberliegenden „Deutschen Eiche“ kennen gelernt hatte, zeigt er sich nackt, mit all seinen Ängsten und Aggressionen. Berühmt wurde das Zwiegespräch mit seiner Mutter in der Küche der Wohnung, die einen guten „Führer“ wieder herbeiwünscht. Da wurde klar: Das notwendige Gespräch über die faschistische Vergangenheit war im Nachkriegsdeutschland einfach verdrängt worden. Volker Schlöndorff kommt hier als hervorragender Zeitzeuge zu Wort.
Eine seiner wichtigsten Hauptdarstellerinnen war Hanna Schygulla. Es ist rührend, wenn sie sich an ihren Rainer Werner erinnert, dazu nebenbei mit Fingerfarben Fotos coloriert. Über vieles Negatives legt sie aber nachsichtig den Mantel des Schweigens. Andere sprechen deutlicher aus, was Fassbinder auch war: Stinkstiefel, Bürgerschreck, Dominator, Manipulator…
War Fassbinder bisexuell?
Nur an manchen Stellen wird klar gestellt, dass Fassbinder sein eigenes Leben im Film verarbeitete. In einem seiner berühmtesten Filme, „Angst essen Seele auf“, will er eigentlich seine Erfahrungen mit seinem damaligen Geliebten, den Marokkaner El Hedi ben Salem, darstellen. Ihn hatte er in einer Pariser Schwulen-Sauna kennen gelernt und im Film eingesetzt. Die Hauptrolle spielt dann aber nicht Fassbinder selbst, sondern Brigitte Mira.
Viele Filme werden nur ansatzweise angesprochen, wie „Die Ehe der Maria Braun“, der ihn in Amerika berühmt machte, oder „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ mit Rosel Zech, der ihm endlich den „Goldenen Bären“ einbrachte. Der große Erfolg „Lola“ kommt nicht vor.
Und da sind wir wieder bei der subjektiven Darstellung und den Problemen der Fassbinder Foundation und deren Rechteinhaberin Juliane Lorenz: Der Oskar-prämierte Kameramann Michael Ballhaus, der zu Fassbinders Ruhm dazugehört, wird totgeschwiegen, um nur einen Namen zu erwähnen. Fraglich ist auch der Versuch, Fassbinder als bisexuell darzustellen. Das widerspricht auch vielen Aussagen im Film, wie von Margit Carstensen („Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, wo Fassbinder sein eigenes Liebesleid gegenüber Günther Kaufmann in ein lesbisches Liebesdrama transformiert).
Immerhin wird dem Zuschauer erspart, was Frau Lorenz öfter geäußert hat: Sie sei die letzte Frau Fassbinder, man habe in Las Vegas geheiratet, die Urkunde sei aber leider aus dem Cabrio geflogen.
Kino: Neues Arena, City.
Zu einem eigens für das Festival konzipierten Rundgang durch das Glockenbachviertel laden die Spurwechsel-Stadtführungen zum ersten Mal am Samstag, 2. Mai, um 14 Uhr ein. Auf dem Weg liegen das ehemalige Action-Theater, eine von Fassbinders ersten Wirkstätten, und das Hotel Deutsche Eiche, das Fassbinder auch sein Wohnzimmer nannte. Treffpunkt der Führung „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin“ ist am Sendlinger-Tor-Platz.
Bereits am 1. Mai startet im Filmmuseum eine Reihe mit acht Fassbinder-Filmen. Um 18.30 Uhr geht es um „Die Anfänge“ der drei Regisseure Fassbinder, Schroeter und Wenders, die alle vor 70 Jahren geboren wurden. Um 21 Uhr steht „Katzelmacher“, Fassbinders zweiter Spielfilm, auf dem Programm.
Rund um den Geburtstag, vom 29. Mai bis zum 3. Juni, kann man mit Fassbinder aufstehen, spazieren, Satansbraten essen, Theater schauen, Filme sehen, feiern und zu Bett gehen – das Programm ist so vielfältig, wie Fassbinder umtriebig war. Höhepunkt wird am 30.5. das Geburtstagsfest im Hinterhof der ehemaligen Wohnung Fassbinders in der Reichenbachstraße 12: Die Initiatorinnen des Festivals Andrea Funk und Xenia Bühler locken mit Filmprogramm, Fotodokumentation, namhaften Gratulanten.