"Der kleine Nick erzählt vom Glück": Kunstvoll in die Kindheit
Der Regisseur Ari Folman fand in "Waltz with Bashir" für seine Zeit als Soldat im Libanonkrieg bedrückend-poetisch Bilder. Ganz ähnlich die Marjane Satrapi, die im Film "Persepolis" von ihrer Kindheit während und nach der Islamischen Revolution im Iran erzählt. Ihnen gemein ist die eigentlich unmögliche Kunst, Animations- und Dokumentarfilm zu verbinden - und damit ein angemessenes filmisches Stilmittel für das persönlich Erlebte zu finden.
Einen ähnlichen Anspruch verfolgen, wenn auch weniger politisch, Amandine Fredon und Benjamin Massoubre mit "Der kleine Nick erzählt vom Glück".
Fokus des Films liegt auf Biografien der Autoren
Wie es der Titel bereits andeutet dient hier die grandiose, in den Jahren 1959 bis 1964 publizierte Kinderbuchreihe als Vorlage. Im Vordergrund stehen aber nicht wie zuletzt in den drei Realfilmen die Streiche und Kabbeleien des kleinen Nick und seiner Bande, sondern die Biografien der Macher des zeitlosen Werks: der Autor René Goscinny und sein Illustrator Jean-Jacques Sempé.
Vorzüglich gelingt es den Regisseuren des halbdokumentarischen Animationsfilms den diskreten wie pointierten Zeichenstil von Sempé mit all seinen Auslassungen, mit seinen Linien, die ins scheinbar Unendliche führen, zu imitieren.
Jean-Jacques Sempé beteiligte sich als Berater
Man erahnt an dieser perfekten Mimikry, dass Sempé, der im August im Alter von 89 Jahren verstarb, als Berater noch an der Produktion beteiligt war. Ganz so wie Anne Goscinny, die Tochter des Asterix-Schöpfers, die für die Filmemacher das Archiv ihres Vaters öffnete, was in den Film auch einfloss.
So bekommt der Zuschauer auch intime Einblicke in die Gedankenwelt zweier verspielter, kongenialer Künstler, die in der Erfindung des kleinen Nick ihre eigene nicht vorhandene glückliche Kindheit nacherzählen konnten.
Kleiner Nick bringt seine Geschichte dem Publikum kurzweilig nahe
Goscinny, der sich selbstironisch im dicklichen Otto spiegelt, musste als jüdischer polnischer Einwanderersohn einst vor den Nazis nach Argentinien fliehen. Sempé versuchte bei seinem Großvater den Schlägen des Stiefvaters zu entkommen. Beiden gemein ist aber, dass sie das Trauma ihrer Jugend nie ins künstlerisch Negative übersetzten, das Hoffnungsvolle, die Lust am Träumen, an der Fantasie, in ihrem Nick weitertrugen.
Und dieser Nick wird im Film dann auch zwischen Schreibmaschine und Zeichenstrich lebendig, springt frech in die Biografien von Sempé und Goscinny hinein, um seine eigene Geschichte, wie den Stress mit den Mädchen oder den Spass im Ferienlager kurzatmig-verknappt an sein (Kino)Publikum weiterzutragen.
Ein Film, der berührt
Die rasanten Wechsel zwischen zwei realen Leben und einer fiktiven Vita hält der Film mit elegant ineinanderlaufenden Bildern und der furios aufgekratzten Jazz-Musik von Ludovic Bource ("The Artist") zusammen.
Und am Ende ist man ehrlich berührt von dieser Freundschaft, die letztlich nur bis zum frühen Tod von Goscinny im Jahre 1977 andauerte, in den Geschichten des kleinen Nick aber bis heute weiterlebt.
Kino: Kino Solln, Monopol sowie Theatiner (OmU)
Regie: Amandine Fredon, Benjamim Massoubre
(F, 82 Min.)
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