"Black Widow": Wer braucht schon Männer?
Im Comic-Spektakel "Avengers: Endgame" ließ Black Widow ihr Leben. Doch nun feiert die von Scarlett Johansson verkörperte Marvel-Heldin ihre Kino-Auferstehung. Die berechtigte Frage nach dem Warum lässt sich mit einem Blick auf den gesellschaftlichen Wandel erklären.
Noch vor elf Jahren, in "Iron Man 2", wurde Natasha Romanoff alias Black Widow als kühle russische Amazone eingeführt. Ohne richtige Charaktereigenschaften, dafür mit einer lasziven Kampf-Pose im hautengen Lederanzug. Eine auch in den Augen von Scarlett Johansson unmöglich gewordene sexistische Männerfantasie.
"Black Widow" kommt deshalb auch einer gelungenen filmischen Entschuldigung beim weiblichen Publikum gleich. Nebenbei liefert der Blockbuster eine stimmige Erklärung für den merkwürdig selbstlosen Märtyrertod der Figur im letzten "Avengers"-Film.
"Black Widow": Souverän und stringent
"Black Widow", souverän und stringent inszeniert von der Independent-Filmemacherin Cate Shortland ("Lore"), reist im Prolog in die 90er Jahre nach Ohio. Wir beobachten beim unschuldigen Spiel die junge Natascha mit ihrer kleineren Schwester Yelena. Der Clou dabei: Diese Mädchen sind gar keine echten Schwestern, sondern nur Teil einer amerikanischen Fake-Familie. Als die russische Spionage des angeblichen Vaters Alexei (David Harbour) auffliegt, geht es schnell, rasen die Kids mit ihrer Ersatz-Mutter Melina (Rachel Weisz) zum versteckten Flugzeug, um gerade noch rechtzeitig den Abflug zu schaffen. Für Natasha und Yelena beginnt nun aber das eigentliche Martyrium. Denn Alexei gibt die verängstigten Mädchen in die Obhut seines Auftraggebers Dreykov (Ray Winstone). Und der drillt in seinem inhumanen Ausbildungsprogramm "Red Room" zurückgelassene Kinder wie Natascha zu Profikillerinnen ohne Gefühle und am besten noch ohne eigenen Willen.
Aller heißer Verfolgungsjagden zum Trotz schwingt diese in der Realität verankerte Kritik an der Ausbeutung und Manipulation vieler hilfloser Mädchen im Film immer mit. Und was aus solchen ohne Fürsorge und Liebe aufgewachsenen Spionage-Killermaschinen dann einmal wird, sieht der Zuschauer an Natasha alias Black Widow. Auf dem Papier zwar eine Comic-Heldin, in Wirklichkeit aber eine sozial gestörte Kampfmaschine, die sich von ihrer "Schwester" Yelena (Florence Pugh), die Natasha bei ihrem Ausbruch aus dem Red Room einst zurückließ, nach Jahren ohne Kontakt Vergebung erhofft.
Das erste Wiedersehen beginnt dann passend mit einer saftigen Schlägerei - bevor gemeinsam die Rache an Dreykov geplant werden kann. Wer bei dieser am Ende doch etwas krawalligen Selbstjustiz nur eine Nebenrolle spielt ist der Mann, Alexei. Der ehemalige russische Superheld taugt nach der Befreiung aus dem Gulag nur noch zum aufgeschwemmten Witzbold. Und macht im feministischen Ansatz von "Black Widow" dann doch wieder eine gute Figur.
Regie: Cate Shortland (USA, 133 Minuten); ab Freitag wird der Film für 21,99 Euro auch auf Disney+ als Stream angeboten
Kinos: Cadillac & Veranda, Cinema (OV), CinemaxX, Museums-Lichtspiele, Royal-Filmpalast, Scala-Center Fürstenfeldbruck
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