Als John Lennon und Yoko Ono die Politik entdeckten
Die Epoche scheint weit entfernt, über John Lennon und Yoko Ono wurde schon sehr viel erzählt - und doch ist „One To One“ angesichts der Entwicklungen in Amerika der richtige Dokumentarfilm zur richtigen Zeit. Er handelt von den 18 Monaten, in denen das berühmte Paar in einem Zwei-Zimmer-Appartement im New Yorker Greenwich Village lebte. Es hatte Großbritannien verlassen, wo die Presse gehässig zu Yoko Ono war, wo sie drei Fehlgeburten erlitt.

Zehn Jahre Gefängnis für zwei Joints
In New York blühten die beiden auf, wie das reichhaltige Video- und Audiomaterial zeigt, auf das die Regisseure Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards zurückgreifen konnten. Sean Ono Lennon stellte den Regisseuren auch die privaten Gespräche zur Verfügung, die Lennon seinerzeit mitschnitt: Er ahnte, dass die US-Regierung sein Telefon angezapft hatte und wollte sich mit eigenen Mitschnitten absichern. Diese zeigen Lennon ist bester Laune, aufgekratzt und beseelt von der neuen Rolle, die er für sich in der Zeit nach den Beatles gefunden hat: als links-revolutionärer Künstler. „Viva la Revolution“, sagt er auch in die Kamera, gemeinsam mit Polit-Aktivist Jerry Rubin kämpften er und Yoko Ono gegen den Vietnam-Krieg, gegen die Nixon-Regierung, gegen das Establishment und für die Befreiung von Inhaftierten. Letzteres gelingt in einem Fall sogar: Der Links-Aktivist John Sinclair war wegen des Verkaufs zweier Joints zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden war - wenige Tage nach einem Benefiz-Konzert kam er frei.
Mit einer „Free the People“-Tour wollten Lennon und Ono noch viele weitere, vor allem schwarze Inhaftierte freibekommen. Doch so weit kam es nicht: Die beiden merkten noch rechtzeitig, dass mit ihren linken Mitstreitern Gewalt im Verzug ist, damit wollen sie nichts zu tun haben. Bevor die Aktivisten den Parteitag der Republikaner aufwirbeln wollten, stiegen Lennon und Ono aus. Aber da waren sie längst im Visier der Nixon-Administration: Die drohte dem Ex-Beatle mit Ausweisung.
Die Regisseure haben einen Kniff gefunden, um die bekannte Geschichte neu zu erzählen: Sie haben das New Yorker Appartement von John und Yoko originalgetreu aufbauen lassen, mitsamt des Fernsehers, der dort fortwährend lief. In diesen schauen nun die Zuschauer, gewissermaßen mit den Augen des zappenden Ehepaars, und die zeitgenössischen Aufnahmen fügen sich zu einer Collage der auch damals völlig zerrissenen Vereinigten Staaten: Da sind auf der einen Seite das spießige Establishment; der verlogen lächelnde Nixon, der einen Horror-Krieg in Vietnam führte; der Kapitalismus, der mit Werbespots für Tupperware und Chevrolet effektvoll reingeschnitten wird. Auf der anderen Seite die linke, jugendbewegte Gegenkultur, die für ein anderes Amerika kämpfte.
Heute traut sich nur noch Bruce Springsteen
Und vorneweg schritt der größte Rockstar der Welt. Wenig später erlahmte Lennons politischer Einsatz zwar, aber eine Zeitlang setzte er Ruhm und Kunst für Ziele jenseits von Kommerz und Erfolg ein und nahm dafür auch persönliche Nachteile in Kauf. Pünktlich zum Kinostart, in der zweiten Amtszeit Trumps, wirkt der Film aktuell: wo doch die heutige Musik- und Kulturszene Amerikas so erbärmlich stumm bleibt, wo nur Bruce Springsteen und wenige andere ihre Stimme gegen ein kriminelles Gaga-Regime erheben, wo sich die meisten US-Stars feige wegducken, um in einer untergehenden Demokratie keine Karriere-Delle zu riskieren.
Das Traumpaar trennte sich für kurze Zeit
Über das private Paar Lennon und Ono erfährt man weniger, auch nicht, dass sich die beiden nur wenig später für eine Zeitlang trennten. Und John erscheint im Film recht ungebrochen als reiner Held, auch als früher Feminist. Kritisches erwartet man aber von vornherein nicht, da sein Sohn Sean Ono Lennon als Produzent beteiligt war. Er verantwortet auch die Musik, und die ist ein großes Plus des Films: Man sieht und hört große Teile der beiden „One To One“-Auftritte von Lennon und Ono im Madison Square Garden von 1972: Es sollten die einzigen kompletten Konzerte in Lennons Karriere nach den Beatles bleiben.
Stevie Wonder singt aus Lennons Konzert
Und die klingen großartig, mit einer kraftvollen Version von „Come Together“, mit dem erschütternden, kargen Klagerock von „Mother“, mit dem funkigen „Give Peace A Chance“, an dessen Ende Lennon Gaststar Stevie Wonder das Mikrofon überlässt. Die Erlöse dieses Benefizkonzerts kamen nicht wie geplant einem politischen Zweck zugute, sondern einer Einrichtung für Kinder mit Behinderung. Zumindest dieser Charity-Gedanke, den George Harrison ein Jahr zuvor mit dem „Concert for Bangla Desh“ angestoßen hatte, hat sich ja in der Musik- und Entertainmentbranche bis heute gehalten.
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