65 Jahre Theatiner Filmkunst München: Das Popcorn bleibt draußen
Eigentlich ist es ein Wunder, dass ein Kino wie das Theatiner oder genauer die Theatiner Filmkunst trotz aller Multiplexe und Kinoketten noch existiert. So mussten die "Kinos Münchner Freiheit" schließen, dem Filmtheater Sendlinger Tor droht vielleicht ein ähnliches Schicksal.
Aber das Theatiner-Kino mit seinen nur 164 Plätzen feiert morgen seinen 65. Geburtstag. Wer in den Vorführsaal hinabsteigt, glaubt sich im Originalambiente der 1950er Jahre in einer anderen Welt. Deshalb steht das Juwel mitten in der Münchner Innenstadt auch unter Denkmalschutz, was es wohl vor gierigen Investoren rettete.
Ein Klassiker der Nouvelle Vague zum Geburtstag
Zum Jubiläum läuft Eric Rohmers Regiedebüt "Le Signe du Lion" (Im Zeichen des Löwen) aus dem Jahre 1962 in der französischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln und in 35mm! Ein Klassiker der Nouvelle Vague. Ausgewählt wurde der Film, weil er wie das Theatiner im Zeichen des Löwen steht und der Verleih Neue Filmkunst Walter Kirchner ihn ins Kino brachte.
Ein Jahr nach dem Bau des Kinos präsentierte Kirchners Verleih am 13. August 1957 seinen ersten Film, die Gaunerkomödie "Räuber und Gendarm" mit dem italienischen Komikerstar Toto. Ein Jahr später übernahm Marlies Kirchner die Theaterleitung. Die heutige Grande Dame des Kinos arbeitete damals bei dem Verleih in Göttingen. Und als es hieß, wer will nach München "habe ich sofort den Finger gehoben", erinnert sie sich.
Marlies Kirchner und "ihre Nase" für gute Filme
Seit 1975 war sie allein für das Programm verantwortlich. Unter ihrer Ägide entwickelt sich das Theatiner zum Mekka der Cinephilen mit großem Einsatz für vorwiegend französische, spanische und italienische Werken in "OmU" sowie Filme aus Asien oder Lateinamerika. Synchronfassungen kommen ihr nicht ins Haus: "Egal in welcher Originalsprache, die Atmosphäre ist einfach anders". Da gibt es keine Kompromisse, wie beim Popcorn, das bleibt draußen.

Die gebürtige Westfälin glaubt an "ihre Nase" für gute Filme, ein Stammpublikum hält ihr seit Jahrzehnten die Treue, auch über die schwierige Coronazeit hinweg. Unterstützung bekommt die über 90-Jährige inzwischen von den Theaterleitern Bastian Hauser, der als Filmvorführer vor mehr als 10 Jahren bei ihr anfing, und Clea Schleeger, die auch schon fünf Jahre dabei ist. Aber die "Prinzipalin" schaut sich die Filme für ihr Programm immer noch genau an.
Es läuft gut im Theatiner Filmkunst
Auch wenn der Vor-Corona-Stand noch nicht erreicht ist, es läuft momentan gut, sogar bei Ingmar Bergmans "Wilde Erdbeeren" im Rahmen der diesjährigen Filmkunstwochen kamen trotz Badewetter 60 Zuschauer, darunter viele junge Leute. Deren verstärktes Interesse für Kultfilme alter Meister wie Michelangelo Antonionis "Rote Wüste" oder Claude Sautets "César und Rosalie" zu Romy Schneiders 40. Todestag im Mai sieht sie als "Ein gutes Zeichen für die Zukunft". Auch die Kooperation mit "Revü", einem Filmmagazin von HFF- Studierenden lockt zunehmend unter 30-Jährige. Die Zusammenarbeit mit der Staatsoper, der Kunsthalle oder dem Deutschen Theatermuseum erweitert zusätzlich das Zuschauerspektrum.
Im nächsten Jahr widmet das Theatiner vier Filmmatineen im Rahmen der großen Max Beckmann Ausstellung in den Pinakotheken dem Maler, der in seinen Tagebüchern akribisch Notizen über seine Kinobesuche verfasste. Im September steht das beliebte "Cinema Italia" auf dem Plan, im November das Highlight des Jahres, die Französischen Filmwoche. Regisseure wie Christophe Honoré ("Chambre 2012") oder Bruno Dumont ("France") ließen sich in den letzten Monaten nicht nur in Berlin feiern, sondern unternahmen Abstecher nach München, um ihre Filme im kleinen aber feinen Theatiner vorzustellen.
Marlies Kirchner vielfach ausgezeichnet
Marlies Kirchner, die bis vor kurzem noch im legendären winzigen Kassenkabuff Tickets verkaufte, gilt als eine Institution. Ihr herausragendes Programm und sie selbst kassierten über die Jahrzehnte nationale wie internationale Preise. So erhielt sie 2016 die "Berlinale Kamera", 2018 den "Europa Cinemas Award for Best Programming" (europaweit), in diesem Jahr wurde sie vom französischen Kulturminister mit dem "Officier des Arts et des lettres" ausgezeichnet.
Vor zwei Jahren gab es wegen ihrer großen Verdienste um die Münchner Filmkultur die Medaille "München leuchtet" in Silber. Ohne Marlies Kirchner und "unser" Theatiner würde München weniger leuchten. Ihr Geburtstagswunsch zum 65. Jubiläum: "Weitermachen. Und dass es mit dem Kino wieder und weiter aufwärts geht, dass es seinen Platz in der Gesellschaft behält und auch die junge Generation Geschichten auf der großen Leinwand schätzen und lieben lernt."
An Samstag um 18 Uhr wird zum 65. Jubiläum der Eröffnung der Film "Le Signe du Lion" von Eric Rohmer gezeigt.
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