Im Abendrot der grossen Karriere

Der 79-jährige Lorin Maazel soll für drei Jahre übergangsweise die Philis leiten
von  Abendzeitung

Der 79-jährige Lorin Maazel soll für drei Jahre übergangsweise die Philis leiten

Von 1993 bis 2002 war er, zuletzt eher gelangweilt, der Chef des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Damals flossen Honorare in Strömen, aber das Orchester gewann unter ihm eine vorher nicht gekannte Brillanz und virtuose Spielkultur, die bis heute nachwirkt.

Nun soll Lorin Maazel für drei Jahre nach München zurückkehren. Die Stadt denkt offenbar darüber nach, den 79-Jährigen als Interims-Nachfolger der Münchner Philharmoniker zu verpflichten. Im Gespräch ist einem Bericht des "Münchner Merkur" zufolge eine Übergangslösung für drei Jahre, bevor dann ein anderer Chef engagiert wird.

Städtische Gremien und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) seien bereits mit dem Thema befasst, strittig seien noch die Vertragsbedingungen: Lorin Maazel, der am 6. März seinen 80. Geburtstag feiert, favorisiere demnach eine Verpflichtung als eine Art freier Mitarbeiter, die Stadt gebe aber einem Festengagement den Vorzug.

Der Unterkühlte

Im Alter von neun Jahren dirigierte er anlässlich der New Yorker Weltausstellung erstmals öffentlich ein Orchester. Maazel übernahm 1965 von Ferenc Fricsay das Rias-Orchester Berlin und war anschliessend in Cleveland tätig. Ab 1982 war Maazel Direktor der Wiener Staatsoper, bis der sich schon 1984 mit der österreichischen Bürokratie überwarf. Mit den Wiener Philharmonikern blieb er eng verbunden und dirigierte eine Reihe von Neujahrskonzerten, bei denen er bisweilen selbst zur Geige griff.

Nach seinem Münchner Engangement wurde Maazel Chef der New Yorker Philharmoniker. Er gilt als Inbegriff des eleganten, unterkühlten Pultvirtuosen mit einem leichten Anflug von Blasiertheit. Er komponierte die Oper "1984" nach George Orwell und einige gediegene Orchesterwerke, aber es bleibt zu hoffen, dass er der Stadt bei seinen Verhandlungen nicht auch noch Kompositionshonorare aufdrängt.

RBR

Der Kommentar: Mut und Abo-Angst

Im Juni strotzten die Münchner Philharmoniker vor Selbstbewusstsein, als sie Thielemann zur Machtprobe herausforderten und verloren. Damals sprach Kulturreferent Hans-Georg Küppers davon, es auch mit einem jungen Dirigenten versuchen zu wollen. Nun ist er zu riechen, der kalte Angstschweiss angesichts des notwendigen Kurswechsels und einer drohenden Massenabwanderung der Abonnenten. Man geht auf Nummer sicher: Der 79-jährige Lorin Maazel soll angeblich das Orchester übergangsweise leiten. Das wäre die mutloseste aller Zwischenlösungen. In Spar-Zeiten verwundert es, dass sich die Stadt den teuersten Dirigenten der Welt leisten will, der bei New Yorks Philharmonikern bis zu 2,6 Millionen Dollar pro Saison kassierte. Seine letzten Münchner Auftritte wirkten recht lustlos. Das heisst: Die Philharmoniker wollen weiterwursteln wie bisher. Wandel sieht anders aus. Und wer sich in der Kunst nicht ändert, der versteinert.

Robert Braunmüller

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