Gottschalk Live: Gottschalk ohne Rettungsschirm
In Erwartung der Gottschalk-Vorabendpremiere wippten alle aufgeregt in den Startlöchern, als wolle einer das Fernsehen neu erfinden – dabei reicht es doch schon, wenn ein genialer TV-Entertainer (die kann man an einer Hand abzählen!) in einem Umfeld von professionellem Polit- und Kulturgeschwätz seinen eigenen Stiefel durchziehen möchte und auf seine eigene Art durchs Tagesgestrüpp der Kuriositäten latscht.
Und wenn er zum Auftakt gleich einen genialen Film-Autorregisseur (etwas ganz ganz Seltenes!) im Visier hat, sind wir bei ihm besser aufgehoben als im restlichen Soap-Vorabendschwitzkasten der Verbotenen Doof-Liebe und der tödlich-heiteren Dorfkrimis.
Also flott in Gottschalks TV-Wohnzimmer hineingeschaut zur versprochenen Wulff-und Rettungsschirmfreien halben Stunde, krawattenfrei, kochlöffelfrei, in warmen Hausschuhen vollgequasselt von Quasselkönig Gottschalk mit den Quassel-Angeboten des Tages, mit Cousin-Verleumdungen der Regenbogenblättchen und der Facebook-Einladung in die Gottschalk-Diskutierbude zum Chatten und Twittern: Er gibt sich auf der Höhe des Zeitgeistes im Paparazzi-Land der Heidi-Klum-Scheidung, er säuselt und simst aktuell von Heidi & Seal.
Aber sobald Michael „Bully" Herbig die Quasselhöhle betritt, als Hauptdarsteller Zettl in Helmut Dietls neuem Film „Zettl", dem Generationensprung von Enkeln zu Großvätern, von Münchner Kir-Royal-Schickis zu Berliner „unschlagbar charakterlosen" Event-Mickis, da weht ein Lüfterl von Kreativität zwischen die viel zu vielen Auto- und Apotheken-Werbespots, denn da redet Bully vom Schauspielererlebnis bei einem Magier wie Dietl.
Scheinheilig fragt Gottschalk, ob die Leute das mögen werden? Und ob sie den Arsch hochkriegen für die Dietl-Methode, auch die miesesten Drecksäcke noch mit einem unverschämten Charme daherkommen zu lassen. (Ich erinnere mich gut an das Empörungsgezeter nach den 6 Folgen „Kir Royal" - ein bürgerliches Wutgeschrei!).
„Keiner spricht Hochdeutsch“, meldet Bully über seine Dialogerfahrung bei „Zettl“ und Dietls legendären Umgang mit Schauspielern. Und trotz der Werbespots und Wetterunterbrechung können wir bei Gottschalk live sicher sein: Keine Krawatten, und locker vom Hocker. Ist ja selten!
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