Entscheidend ist der Flirtfaktor

Die Kapelle existiert seit nun mehr fast 80 Jahren und spielt seit 1950 in der Festhalle Schottenhamel. Am Samstag zieht Christian Sachs mit der Otto-Schwarzfischer-Kapelle ins Zelt ein. Ist der Kapellmeister auf die Wiesn und Ihre Hits vorbereitet? Und was müssen wir jetzt schon zum Mitsingen lernen?
von  Abendzeitung

Die Kapelle existiert seit nun mehr fast 80 Jahren und spielt seit 1950 in der Festhalle Schottenhamel. Am Samstag zieht Christian Sachs mit der Otto-Schwarzfischer-Kapelle ins Zelt ein. Ist der Kapellmeister auf die Wiesn und Ihre Hits vorbereitet? Und was müssen wir jetzt schon zum Mitsingen lernen?

Herr Sachs, ein Wiesenhit kommt nicht aus dem Nichts. Wie kommen Sie ihm auf die Spur?

CHRISTIAN SACHS: Los geht’s schon im Januar in der Wintersaison beim Après-Ski. Der Karneval in Köln ist auch ein guter Nährboden. Und ich arrangiere dann die neuen Lieder für unsere Kapelle und probiere sie unterm Jahr auf Volksfesten aus.

Aber wer bestimmt denn letztlich, was ein Hit wird?

Das Publikum macht die Stimmung. Und wo der Mitmach- und Mitsing-Pegel am Höchsten ausschlägt, das ist dann der Wiesnhit.

Was wird der Hit in diesem Jahr?

Ich tippe auf das „Fliegerlied“ von Donikkl.

Was macht einen Hit Wiesnhit-tauglich?

Erstens: ein eingänglicher Text, weil man den ja auch mitsingen muss, wenn man ein paar Mass intus hat. Und Donikkl haben ja viele Kinderplatten aufgenommen.

Beim Hit „Macarena“ hat aber doch niemand den Text gekonnt oder gekannt?

Eine Ausnahme, weil es Spanisch war. Aber dafür kam der zweite Hit-Faktor ganz groß ins Spiel: Das Mitmachen! Man konnte die Arm- und Bein-Choreografie schon nach ein paar Wiederholungen kapieren. Und beim „Fliegerlied“ kann man Flügel machen wie ein Flieger, Muskeln spielen lassen beim Stichwort „stark wie ein Tiger“, und Schwimmen kommt auch vor.

Und welcher Faktor fehlt?

Bei diesem Lied eben keiner. Denn auch der dritte Faktor ist erfüllt: Der Flirtfaktor bei der Zeile „und i nimm, nimm, nimm di bei der Hand“. Da kann man dann die Nachbarin an die Hand nehmen!

Gibt es auch musikalische Minimalanforderungen?

Einen guten Klatschrhythmus. Sonst ist kein besonderes Niveau erforderlich.

Ärgert Sie das?

Nein. Aber ich gebe zu: Wenn wir am Nachmittag mit der echten Blasmusik anfangen, dann schlägt mein Musikerherz und das meiner Kollegen schon höher. Wir sind viele studierte Musiker. Und dieses Party-Heizen am Abend ist einfach nur anstrengend.

Haben sie schon mal die Stimmung überkochend erlebt?

Nein, kein Bühnenstürmen oder so. Aber wenn’s zu wild wird, spielen wir halt wieder was Beschaulicheres, wie „Sierra Madre“.

Wie International sind Ihre Wiesnerfahrungen?

Wir sind duch die ganze Welt getourt, Australien, Frankreich und zu den German Clubs in den USA. Die meisten Länder nehmen das mit dem Oktoberfest noch ernst und machen’s wirklich im Oktober, so dass wir immer gleich nach der Wiesn weitergereist sind. Das Exotischste und Anstrengenste war der Karneval in Rio, in riesigen Hallen, unbestuhlt. Und da gibt es keine Pausen, da wird durchgeheizt.

Wie lang spielen Sie am Tag?

Wir spielen von Mittag bis nachts durch.

Und wie halten Sie das alles aus?

Gesund leben, joggen, schwimmen. Und wenn man sich doch in dem Bazilleninferno des Zelts einen Infekt einfängt: Zum Arzt und alles mit vielen Medikamenten wegdrücken.

Trinken Sie mit den Zeltgästen „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ mit?

In Maßen. Jeder von uns muss die Stücke gut beherrschen. Und alles soll so original wie möglich klingen, nur eben live. Das schafft man angetrunken nicht!

Wird es in zwanzig Jahren noch Kapellen geben oder nur noch DJs?

Auf der Wiesn sicher noch Kapellen, weil die Stadt darauf achtet, dass das mit Musikkonserven oder DJs nicht passiert. Aber auf andern Volksfesten gibt es ja heute schon Boxen-Anlagen und Licht-Show.

Adrian Prechtel

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