Eine weißblau-italienische Mission

Starmezzo Cecilia Bartoli und Autorin Donna Leon, die heute 70 wird, erinnern an den Kapellmeister von Kurfürst Max Emanuel: Agostino Steffani
Robert Braunmüller |
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Die eine schreibt vom Publikum heißgeliebte Venedig-Krimis und ist süchtig nach Barockmusik. Die andere durchstöbert detektivisch die Archive, um auf ihren Platten spannende Musik-Geschichten zu erzählen. Es war höchste Zeit, die beiden Damen zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzuspannen.

Donna Leons neues Buch „Himmlische Juwelen” – pünktlich erschienen zum 70. Geburtstag, hat den gleichen Helden wie Cecilia Bartolis neue CD „Mission”: den ziemlich vergessenen Komponisten, Priester und Diplomaten Agostino Steffani. Und da sollten musikinteressierte Lokalpatrioten aufmerken. Denn entdeckt wurde der Italiener vom Kurfürstenpaar Ferdinand Maria und Henriette Adelaide. Sie hörten ihn in Padua singen, finanzierten seine musikalische und theologische Ausbildung in Rom. Steffani folgte ihnen nach München, wo er über zwei Jahrzehnte blieb und zuletzt als Kapellmeister des Kurfürsten Max Emanuel wirkte.

Aus diesem Grund mietete Bartolis Plattenfirma vor zwei Wochen dessen Schloss Schleißheim. Mit einem Konzert samt Abendessen, Feuerwerk und einem von der Künstlerin im Dirndl persönlich angezapften Fass Augustiner wurde die Neuerscheinung angemessen gefeiert. Als Zugabe erschien – wie auf der Platte – Countertenor Philippe Jarousky, dessen sensible Ausdruckskunst den nervösen Gesang der Mezzosopranistin in vier Duetten wunderbar beruhigt.

Viele der Arien auf „Mission” erklangen zum ersten Mal im damaligen Münchner Opernhaus am Salvatorplatz. Steffanis Musik erinnert an Händel, sie fasst sich aber kürzer und ist französisch beeinflusst. Der Tonfall der Musik spricht bei aller Kunstfertigkeit unmittelbar zum Herzen eines heutigen Hörers. Ein Höhepunkt der Platte ist die Arie aus „Niobe” mit ihrer ruhevollen Darstellung der Harmonie der Sphären – auch dank der hervorragenden Begleitung durch das Ensemble „I Barocchisti” unter Diego Fasolis.

Kurz nach der Münchner Uraufführung von „Niobe” dieser Oper im Jahr 1688 wechselte Steffani als Hofkapellmeister nach Hannover, 1702 trat er in die Dienste des Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm, wo seine zweite Karriere begann: als kurpfälzischer Regierungspräsident, Rektor der Uni Heidelberg und päpstlicher Botschafter mit dem Auftrag zur Wiedergewinnung der Ketzer Norddeutschlands für den wahren katholischen Glauben. Begraben wurde er 1728 im Frankfurter Dom, wo noch heute eine Tafel an ihn erinnert.

Ein spannendes Leben. Zum Krimi aber wird es vollends durch die mögliche Verwicklung des Musikers und Diplomaten in die Affäre Königsmarck: Sophie Dorothea, Tochter des Herzogs von Hannover, zitierte in ihrem schriftlichen Liebesgeflüster mit dem später von vier Auftragsmördern umgebrachten Grafen Königsmarck aus den Opernarien des Komponisten.

Mit dieser Geschichte gewann Bartoli die Erfolgsautorin für das gemeinsame Projekt. Donna Leon, die heute 70. Geburtstag feiert, verpackt den Skandal in den Venedig-Krimi „Himmlische Juwelen” um eine Musikwissenschaftlerin, die Steffanis wiederentdeckten Nachlass begutachten soll. Das ist Fall Nummer 20, den Commissario Brunetti zu lösen hat. Viele Espressi werden genossen, und weil die Schwester der Heldin eine zweifelnde Nonne ist, bleiben antiklerikale Spitzen nicht aus.

So recht kommt dieser Krimi nicht in Fahrt. Trotzdem: Ein verregnetes Herbstwochenende lässt sich mit Platte und Buch ohne weiteres retten. Für hoffnungslos Süchtige gibt es zu „Mission” noch ein Spiel auf dem iPad, und am 19. Oktober gastiert die Bartoli mit ihrem Steffani-Programm im Prinzregententheater. Dass das Konzert in der Stadt verwirrenderweise als „Liasons dangereuses” plakatiert ist, ist Teil des Krimis – die Sängerin hielt die Details ihres neuen Projekts lange hochgeheim unter Verschluss.

Donna Leon: „Himmlische Juwelen”, Diogenes, 298 S., 22.90 Euro.
Cecilia Bartolis CD "Mission" bei Decca. Karten zum Konzert der Sängerin unter Tel.93 60 93

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