Ein faules Weihnachtsei
Berlin: Theater-Veteran Jürgen Flimm wird mit 67 Jahren noch neuer Chef der Oper unter den Linden und kann den Hals nicht vollkriegen.
Es gibt Leute, die wird die Kultur nicht los, weil es immer wieder Politiker gibt, die sie auch im Ruhestandsalter noch engagieren. Der Regierende Kulturbürgermeister Klaus Wowereit hat an der alternden Nervensäge Claus Peymann am Berliner Ensemble nicht genug. Er holt sich die zweitschlimmste Theaterbetriebsnudel dazu: 2010 übernimmt Jürgen Flimm die Staatsoper unter den Linden. Gähn!
Auf die Frage, ob uns gar nichts erspart bleibe, antwortet der in der SPD bestens verfilzte 67-Jährige: „Nach 10 Jahren Salzburg ein Törn in die Hauptstadt mit dem starken Daniel an der Seite, das wär’ noch mal was.“ Mit anderen Worten, ein nett dotiertes Austragsstüberl im wärmenden Sonnenschein der Macht ist halt was Schönes.
Von Kultur schwafeln und Kommerz meinen
Flimms gute Jahre als Intendant in Köln und am Hamburger Thalia-Theater liegen mehr als ein Jahrzehnt zurück. Seit 2006 leitet er die Salzburger Festspiele, wo er nach einer anständigen Auftakt-Saison tönte, er wolle mehr Kunst machen und einen Musicalfritzen zur Ausstaffierung von Gounods „Roméo“-Schmonzette holte, die eigens für die prompt wegen ihrer Schwangerschaft ausgefallene Anna Netrebko ins Programm genommen wurde.
Nun verlässt er die Festspiele, wie es sich für altlinke Hedonisten gehört, als Mahner vor einer weiteren Kommerzialisierung. Die Restgage abgreifen möchte er schon: „Der Plan für 2010 ist fertig, der für 2011 zu 98 Prozent.“ Salzburgs Bürgermeister sagte zu diesen Doppelverdiener-Plänen „Das kann er sich abschminken“ und erwägt rechtliche Schritte gegen die rheinische Frohnatur.
Langweiler unter sich
Künstlerische Impulse sind von Flimm nicht zu erwarten. Aber die braucht Wowereit kaum. Es reicht, wenn der Umbau der Staatsoper durchgewurstelt und das Haus 2013 oder 2014 wiederöffnet wird. Heimlicher Intendant ist ohnehin Generalmusikdirektor Daniel Barenboim, der schon vor Flimm den Status der kulturellen Unvermeidbarkeit erreicht hat. Als sein Operndirektor amtiert übrigens der Münchner Veteran Ronald H. Adler, der in der Jonas-Ära an der Staatsoper für immergleiche Sänger-Langeweile sorgte.
Wowereit hätte auch Serge Dorny haben können, der als moderner Manager die Opéra de Lyon zum Ort des kulturellen Austauschs machte. Aber er wollte den Schröder-Mann Flimm, der als Kulturberater im Wahlkampf 2005 die im Kanzleramt lagernden Rotweine beschwärmte. So ist sie, unsere lustige Hauptstadt, deren drei Opernhäuser nicht einmal zur Weihnachzeit ausgelastet sind und wo das Orchester der Linden-Oper im Januar bloß neunmal im Graben sitzt.
Robert Braunmüller