Die Wut ist konstruktiv

Xavier Naidoo mit seiner Solo-Band und die Söhne Mannheims gehen im Oktober auf eine Doppelkonzert-Tournee – mit ihrem neuen, hochpolitischen Album „Iz On“
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Xavier Naidoo mit seiner Solo-Band und die Söhne Mannheims gehen im Oktober auf eine Doppelkonzert-Tournee – mit ihrem neuen, hochpolitischen Album „Iz On“

Nach „Zion“ und „Noiz“, lautet die neueste Wortkreation mit den vier charakteristischen Söhne- Mannheims-Buchstaben „Iz On“, was laut Xavier Naidoo soviel bedeutet wie: „Jetzt geht’s los, jetzt fängt etwas Neues an.“ Wer dabei an die Krise und die kommende Bundestagswahl denkt, liegt nicht ganz falsch: Es ist das bisher mit Abstand politischste Album der Söhne Mannheims.

AZ: Herr Naidoo, wird das nächste Album der Söhne Mannheims „Oinz" heißen?

XAVIER NAIDOO: Wenn man das Wortspiel mit Pfälzer-Dialektausdrücken fortsetzen würde, könnten wir vielleicht noch den einen oder anderen Albumtitel finden. Eine weitere Option bestände darin, indirekt einen Elektronikkonzern im Titel zu nennen, was wir aber vermutlich nicht weiter verfolgen werden. Wer würde ein Album schon gerne „Zoni“ nennen? Wenn man so will, ist „Iz On“ der Abschluss einer Albentrilogie.

Vor lauter Multikulti-Politsongs weiß man nicht recht, ob die Söhne Mannheims möglicherweise nicht doch musizierende Sozialarbeiter sind.

HENNING WEHLAND: Es ist wichtig, Leute wachzurütteln, zu motivieren und als Musiker Stellung zu beziehen. Wörter wie Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, Politbewusstsein und Finanzkrise sind doch längst nur Schlagwörter, aus denen Lobbyisten persönliche Vorteile zu ziehen versuchen. Da können wir als Musiker oder Kreative die größte außerparlamentarische Opposition darstellen, wenn wir Themen auf den Punkt bringen.

Das haben die Politrockerder 80er wohl auch gedacht.

XAVIER NAIDOO: Die Berechtigung, Wahrheiten zu transportieren, hat aber nicht abgenommen, nur weil ein paar Kollegen vor uns nicht die richtigen Wörter dafür nutzten oder plump und holprig von krassen Wahrheiten berichteten. Das Mittel, das wir nutzen, ist vielleicht das beste, um den Leuten etwas mitzugeben. Musik kann und sollte Denkanstöße geben. Unsere neue Platte ist ein Querschnitt durch das emotionale Deutschland 2009.

Wer hat Ihnen Ihren Lehrauftrag gegeben?

HENNING WEHLAND: Ich bin mir keines Lehrauftrags bewusst. Eher würde ich uns mit einem Kabarettisten vergleichen, der Wahrheiten schamlos aufdeckt, indem er den Finger in Wunden legt.

Aber der Witz eines Kabarettisten hebt die Schwere der Wahrheit auf.

XAVIER NAIDOO: Unser Balsam, den wir mitliefern, sind die Melodie, der Rhythmus und vielleicht eine Prise Witz. Die Wut in den neuen Texten hat keine destruktive, sondern eine durchweg konstruktive Kraft. Es steckt jede Menge Menschenliebe in unseren teils sarkastischen Texten, auch wenn sie vielleicht krass geraten sind. Ich glaube nicht, dass wir uns dafür entschuldigen müssen.

Das wäre einer „außerparlamentarischen Opposition“ kurz vor der Bundestagswahl auch nicht zu raten.

XAVIER NAIDOO: Interessanterweise sind viele der politischen Texte schon vor ein paar Jahren entstanden, was uns vom Vorwurf befreit, die passenden Texte zum Zeitgeist geschrieben zu haben. Das wäre blauäugig, denn nach der Wahl soll die Platte nicht an Relevanz verlieren.

HENNING WEHLAND: Deswegen denke ich beim Thema Politik auch nicht in erster Linie an Bundestag, Berlin und den ganzen Scheiß. Insofern ist dieses Album hochpolitisch und der Titel „Iz On“ bedeutet für mich auch: „Leute, seht zu, dass jeder einzelne Verantwortung hat und dass es nicht darum geht, sagen zu können, ich kann ja eh nichts machen oder eh nichts ausrichten." Jeder Move macht was aus.

Leben wir für eine Bewegung nicht viel zu individualisiert?

HENNING WEHLAND: Auch auf die Gefahr hin, dass das gebetsmühlenartig klingt, aber Musik hat nun mal die Kraft, durch Mauern zu dringen. Wir geben keine Wahlempfehlung raus, aber wenn wir jemandem ein Stück seines sozialen Wesens oder seiner Menschlichkeit in Erinnerung rufen könnten, hätten wir unseren Teil zur Veränderung des sozialen und politischen Klimas in diesem Land beigetragen.

Reine Polit-Popsongs würden auf die Dauer auch zum Gegenteil führen.

HENNING WEHLAND: Deswegen braucht unsere neue Platte ja auch einen Song wie „Ich wollt nur deine Stimme hörn“. Ein Album spiegelt immer auch das gesamte Gefühlsspektrum einer Band, und das ist bei uns mit vierzehn Musikern wirklich sehr breit gefächert. Als Kontrapunkt zur Wut, die im neuen Album zum Ausdruck kommt, haben die vier Worte „Ich hab’ dich lieb“ eine unglaubliche Kraft.

Warum ist die Münchner Olympiahalle als Ort für die Premiere der Doppelkonzert-Tournee auserkoren worden?

XAVIER NAIDOO: If you can make it there, you can make it anywhere.

Michael Loesl

Xavier Naidoo Solo und die Söhne Mannheims am 15. und 16. 10. in der Olympiahalle

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