Die letzte Chance

München braucht das Gärtnerplatztheater als freche Herausforderung zur Staatsoper: Gedanken zur Zukunft des Hauses nach dem Aus für den Intendanten Ulrich Peters
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München braucht das Gärtnerplatztheater als freche Herausforderung zur Staatsoper: Gedanken zur Zukunft des Hauses nach dem Aus für den Intendanten Ulrich Peters

Klaus Schultz versuchte zwischen 1996 und 2006, Münchens liebenswürdiges Zweit-Opernhaus in eine kleine Staatsoper zu verwandeln. Sein Nachfolger Ulrich Peters versuchte, die Liebenwürdigkeit der Provinz in die Großstadt zu holen. Beides war nur mäßig erfolgreich. Wie könnte es weitergehen?

VORBILDER

Wie das Münchner Haus kämpfen auch die Pariser Opéra comique und die Komische Oper Berlin gegen eine übermächtige Konkurrenz. Aber sie haben, im Unterschied zum Gärtnerplatz, gegenüber den großen Tankern die Nase vorn: Andreas Homoki setzte in Berlin erfolgreich auf Regisseure wie Hans Neuenfels, Peter Konwitschny oder Calixto Bieito. Er erzielte auch ohne Abo eine gute Auslastung. Das Pariser Haus positioniert sich derzeit unter Leitung des Komödianten Jérome Dechamps als volkstümliches Pendant zur großen Nationaloper. Der Spielplan wartet mit interessanten Gegenüberstellungen auf, zu jeder Inszenierung gibt es ein maßgeschneidertes Beiprogramm.

GELD

Qualität kostet. Sponsoren wollen von Stars angelockt werden, und mit Sponsoren tut sich das Gärtnerplatztheater neben der übermächtigen Staatsoper schwer. Mit sinkenden Kulturausgaben und einem Kunstministers aus der subventionsskeptischen FDP könnte nach dem teuren Umbau das Geld ausgehen. Das Haus stand schon einmal auf einer Grausamkeitsliste von Edmund Stoiber.

RAUM

Das Theater wäre ideal für Barockopern. Klaus Schultz und Ulrich Peters verschnarchten diese Marktlücke. Leider schielt auch der Chefdirigent David Stahl vor allem nach großen Schinken.

LEICHTIGKEIT

Operetten gehören an den Gärtnerplatz. Wer dieses Genre aber für ein jüngeres Publikum auslüftet, verschreckt die Stammkundschaft. Für die besten aktuellen Musicals bekommt man die Rechte nicht. Sie sind an Tournee-Produktionen gebunden, wie sie im Deutschen Theater gastieren.

MEHR TEMPO

Ulrich Peters hat die Zahl der Premieren gesteigert, endlich massentaugliche moderne Werke wie Phil Glass’ „Die Schöne und das Biest“ gespielt. Seinem Nachfolger wäre noch mehr Repertoire-Wagemut abzufordern. Ein Tip: György Ligetis komische Oper „Le grand Macabre“ wartet seit Jahren auf ihre Münchner Erstaufführung. Die Theaterakademie ist mit solchen Werken recht erfolgreich, die Berliner und Pariser Häuser übrigens auch.

ASCHENPUTTEL

Am Gärtnerplatz pflegt man gern das Selbstmitleid und den Neid auf den großen Bruder. Das Theater muss sich selbstbewusst auf seine Stärken besinnen: Aufführungen durch ein starkes Ensemble in deutscher Sprache, die auch ohne Obertitel verständlich sind.

INS STADTGESPRÄCH KOMMEN

Der Neue sollte keine Angst vor streitbaren Inszenierungen haben. Das Haus braucht kraftvolles und drastisches Theater, das saftig, sexy, wahr und witzig ist. Das ist die Quadratur des Kreises. Und eine letzte Chance, ehe eine Debatte um die Notwendigkeit dieses Staatstheaters einsetzt.

Robert Braunmüller

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