Uwe Eric Laufenberg über seinen "Parsifal"

Bayreuther Festspiele: Uwe Eric Laufenberg erklärt, was seine Inszenierung vom Wagners „Parsifal“ mit dem Islam zu tun hat
von  Christa Sigg
Der Regisseur Uwe Eric Laufenberg vor dem Festspielhaus in Bayreuth. Er inszeniert heuer mit „Parsifal“ die Eröffnungspremiere.
Der Regisseur Uwe Eric Laufenberg vor dem Festspielhaus in Bayreuth. Er inszeniert heuer mit „Parsifal“ die Eröffnungspremiere. © Britta Schultejans

Bayreuth - Seit Donnerstag müssen die Bayreuther Festspiele einen neuen Dirigenten für Wagners „Parsifal“ suchen. Die „Umstände“ haben Andris Nelsons „nicht die Atmosphäre ermöglicht, die er für seine künstlerische Arbeit benötigt“, hieß es gestern in einer Mitteilung der Festspiele. Der Regisseur ist noch da. Uwe Eric Laufenberg probt im Festspielhaus Wagners „Parsifal“. Am 25. Juli werden mit seiner Neuinszenierung die Festspiele eröffnet.

Herr Laufenberg, dass Andris Nelsons hingeworfen hat…

UWE ERIC LAUFENBERG. … ist eine Katastrophe. Wir haben ja bis zuletzt versucht, ihn umzustimmen. Das war eine so fantastische Zusammenarbeit, der ist ja selbst wie Parsifal, Nelsons lebt diese Musik, der ist ein so wunderbarer Mensch!

An Ihnen liegt’s also nicht?

Nein, wir haben sehr harmoniert. Ihm wurde wohl viel reingeredet. Aber dazu muss sich die Festspielleitung äußern, da gab’s ja die Probleme.

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Man hört, dass Nelsons auch die ganzen Sicherheitsmaßnahmen zugesetzt haben.

Das mag dieses Gefühl des Kontrolliertseins noch gesteigert haben, ja. Sie sitzen hier tatsächlich in der perfekt abgeriegelten Gralsburg. Im Hoheitsgebiet! Und weil ich dieses Theater wahnsinnig liebe, bin ich hier. Aber die ganzen Sicherheitsvorkehrungen da draußen, finde ich absurd. Wenn Sie hier unbedingt eine Bombe platzen lassen wollen, schaffen Sie das. Es ist ein Theater, in dem Requisiten, Kulissen und dergleichen hin- und hergeschafft werden müssen. So viel Sicherheitspersonal können Sie gar nicht aufstellen, um den Fall der Fälle zu verhindern.

Das hängt aber doch mit Ihrer Inszenierung zusammen.

Nein! Nur mit dem, was im Vorfeld über meine Inszenierung gesagt wird. Wenn sie dann raus ist, werden alle, die auf Bombenstimmung gesetzt haben, enttäuscht sein.

Was ist denn nun mit Ihrer angeblichen Kritik am Islam?

Ich würde mich keineswegs um eine Islamkritik drücken, wenn es um Stücke ginge, die in Syrien oder Saudi-Arabien spielten. Wagner hat den „Parsifal“ in den Pyrenäen verortet, wir bringen ihn in den Nahen Osten, Richtung Syrien, Irak oder vielleicht Jerusalem, wo die monotheistischen Religionen einen Wahnsinnskampf gegeneinander führen. Im „Parsifal geht es um die Frage: Was ist uns die Religion wirklich wert? Wo berührt sie uns noch? Was ist das Mysterium des gekreuzigten Gottes?

Damit sind wir im Christentum.

Aber auch bei der Frage: Was von den Religionen wollen wir nicht mehr? Zum Beispiel die Kriege, die Fanatismen oder die Religionsordnungen. Unser neuer Papst Franziskus zeigt wunderbar, dass es für die Menschen keine Regeln im Absoluten geben darf. Der Mensch ist die Regel, und die Religion und ihre Regeln haben sich dem Menschen und seinen Bedürfnissen anzupassen. Religionen, die erstarren oder sich auf irgendwelche Dogmen beziehen, die nicht mehr mensch- oder naturgemäß sind, braucht man auch nicht mehr. Das ist das Thema des Stücks.

Es gibt noch ein Gerücht: dass sich die Damen die Burkas vom Leib reißen.

Im zweiten Aufzug kommen die Blumenmädchen im Tschador herein, manche sorgfältiger, manche flüchtiger gekleidet. Sie treten in einen Hamam und legen nach und nach ihre Tracht ab, die sich übrigens gar nicht so sehr von der christlicher Nonnen unterscheidet. Und sie tragen dann das, was im Haus üblich ist: eine Tunika oder einen Kaftan. Es geht keinesfalls um ein aggressives Ablehnen orientalischer Kleiderordnungen.

Nun haben wir die Gralsburg irgendwo im Nahen Osten, was ist dann die Gegenwelt des Klingsor?

Klingsor ist derjenige, der von der Religion die Macht, bzw. den Speer, geraubt hat. Er steht für die Menschen, die meinen, mit Geld und Waffen sei alles zu haben. Klingsor kann sich noch so kasteien, er kommt nicht mehr an das innere Erleben heran, an die Erlösung, die die Religion verheißt.

„Parsifal“ ist ein Bühnenweihfestspiel und für mache Wagnerianer auch eine Art Ersatzgottesdienst. Werden die Schwierigkeiten haben?

Nee, die lade ich ja gerade dazu ein, das wieder zu erleben. Nur, sie müssen’s dann auch aushalten. Was planen Sie denn für schlimme Dinge? Was heißt schlimm? Es gibt diesen Ritus der Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Jesus Christus. Und wenn man das im Theater macht, will man das auch sehen.

Da fällt einem Hermann Nitsch mit seinem Orgienmysterientheater ein. Zum Beispiel.

Was das betrifft, ist Nitsch ein großer Künstler gewesen, leider kein besonders toller Regisseur. Man weiß bei Nitsch eigentlich nie, welches Stück er inszeniert. Es ist immer nur Nitsch. Manche bildenden Performancekünstler sind ganz nah bei sich und machen genau deshalb wunderbare Performances. Wenn sie aber an ein fremdes Stück geraten, können sie das nicht umsetzen, das verschwindet dann hinter ihrem eigenen Werk. Insofern bin ich ganz bescheiden nur Regisseur, kein großer Künstler wie Nitsch, Schlingensief oder Meese.

Jonathan Meese sollte eigentlich diesen "Parsifal" inszenieren. Sein Vertrag wurde aufgelöst, Sie sind sein Nachfolger. Er nennte Sie ein Pottschwein.

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Pottsau! Das lasse ich gelten, aber Kameradenschwein, das weise ich zurück. Ich bin nämlich kein Kamerad von Herrn Meese und erst recht kein Kamerad im Hitlerschen Sinne. Dieses ganze Hitler-Geschwätz geht mir nur auf den Nerv, das ist nur grauenhaft. Wir müssen nochmal aufs Blut zurückkommen.

Gibt’s Eimer voller Blut und Fleischberge?

Die groben Mittel brauche ich alle nicht. Es gibt ja Theaterblut, es gibt die Maske und Menschen, die mit ihrem Körper etwas so spielen können, dass sie es sehen, obwohl es gar nicht da ist. Wird es denn heftig? Nur für empfindsame Menschen. Für unempfindsame Menschen, von denen es auch viele gibt, bekommen Sie gar nicht so viel Splatter auf die Bühne, wie die sich das oft als Video runterladen. Wer wirklich Porno oder Gewaltszenen sehen will, wird im Internet besser bedient als im Bayreuther Festspielhaus.

Hat sich eigentlich der protestantisch geprägte Wagner am Ende seines Lebens eine Art Kunstreligion mit viel katholischem Weihrauch ausgedacht?

Das kann man so sehen, und trotzdem verkürzt es das natürlich. Er hat sich ja sein ganzes Leben an diesem Sujet abgearbeitet. Wagner wollte ein Buddha-Drama schreiben, und er hatte ein Jesus-Manuskript in der Schublade. Er ist aber doch klug bei seinen Mittelaltermysterien geblieben. Beim „Parsifal“ war er diesem Themenkomplex treu und hat gleichzeitig als moderner Künstler etwas darüber ausgesagt, was ihn bewegt. Mit diesem letzten Werk schrieb Wagner ein in seiner Zeit durchaus religionskritisches, wenn Sie so wollen, panchristliches, postchristliches Bühnenweihfestspiel über Jesus Christus.

In sich ist das ziemlich kompliziert, negativ gesagt verquast.

Aber es gibt diese unendlich schöne, berührende Musik, die wiederum auf das Mysterium des Todes am Kreuz zurückführt. Also beschäftigen wir uns damit, obwohl das Libretto auch große Rätsel aufwirft.

Man kann sagen Rätsel, ist es nicht manchmal auch Schmarrn?

Dann könnten Sie vieles aus der katholischen oder die protestantische Kirche auch als Schmarrn bezeichnen. Wer glaubt denn bitte an die Jungfrauengeburt?

Den Parsifal hatten Sie ja schon für Köln geplant, den mussten Sie eigentlich nur aus der Schublade ziehen.

Ich kann Ihnen mal mein Regiebuch zeigen, da sehen Sie, dass ich mit der Kölner Fassung gearbeitet, aber viel modifiziert habe. Die Grundlage ist geblieben. Ich sehe dieses Stück ja seit meiner Jugend, und natürlich habe ich einiges seit Jahrzehnten im Kopf.

Was für ein Typ ist der Parsifal?

Jemand, der nicht sehr viel Lebenserfahrung hat, weil ihn seine Mutter weggesperrt hat. Parsifal nimmt die Welt dann mit einem Schock wahr. Das ist für ihn aber ganz entscheidend, denn in diesem Schock entsteht plötzlich Empathie, Mitgefühl für ein Leiden, das er nicht versteht, aber tief in sich selbst empfindet. Wenn man Menschen, die sich nicht verschließen und auf ihren Egoismus zurückziehen, sondern diese Empathiefähigkeit für jeden Mitmenschen, auch für jeden Schwan und für jeden Hund, der umkommt, behalten, die Macht gibt, ist sie in den richtigen Händen. Das ist die große Utopie in diesem Stück. Und was ist der Gral? Eine Form von Erleuchtung. Wie das passiert, darauf gibt es keine Antwort. Aber wir haben ein Bedürfnis nach Erleuchtung und Erlösung, ein Gefühl für etwas Höheres, für etwas Beglückendes in uns, das man auch als Liebe bezeichnen könnte, aber noch darüber hinaus geht.

Was sind die Gralsritter für Gesellen?

Es gibt den sehr schönen Film „Von Menschen und Göttern“ über eine wahre Geschichte. Im Mittelpunkt stehen Mönche, die in Algerien geblieben sind, obwohl es hieß, dass Islamisten kommen und sie entführen, um Lösegeld zu erpressen. Die Mönche blieben, um der islamischen Bevölkerung zu helfen, medizinisch, mit Lebensmitteln. Dieses ganz schlichte „Helfenwollen“ ist die Hauptmotivation der Gralsritter, deshalb tu ich mich immer schwer damit, wenn sie als verknöcherte Idioten gezeigt werden. Der Hilfsgestus ist eines der schönsten Momente im Christentum, was ja auch wieder mit Franziskus deutlich wird. Dass die Ritter des Grals bedürfen, um die Kraft für diese dauernde Hilfestellung zu erlangen, ist natürlich das Problem.

Mit Kundry gehen die Gralsritter aber nicht besonders freundlich um.

Die Gralsritter haben ein Problem mit Frauen. Das ist übrigens in allen monotheistischen Religionen so. Auch beim Judentum, das ja sehr auf der Mutter gründet, ist das Frauenbild nicht so simpel. Es gibt die Trennung in der Synagoge, die Frauen müssen durch Perücken ihre eigenen Haare verdecken. Bei den Katholiken ist das Frauenbild völlig durcheinander, und im Islam bekommen sie, salopp gesagt, einfach einen schwarzen Sack über den Kopf. Damit braucht man darüber nicht mehr zu reden.

Die arme Kundry muss diese ganzen Frauenbilder verkörpern.

Im zweiten Akt zerreißt das diese Figur. Wagner war besonders stolz, dass er als weibliches Pendant zum Tristan die Kundry gesetzt hat. In ihrer Zerrissenheit, in der Möglichkeit, eben nicht zu lieben, sondern sich permanent in neue Figuren aufzuspalten und damit den weiblichen Kreislauf als Fluch zu verstehen. In dieser verschwurbelten Figur ein Synonym für alle Frauen zu sehen, funktioniert nicht. Das ist ja auch ein Hauptproblem dieses Stücks.

Deshalb mögen Frauen den „Parsifal“ oft nicht besonders.

Kann ich gut verstehen. Es ist auch ein bisschen schade, weil in allen anderen Wagnerstücken die Frauen eigentlich Recht haben und am Ende auch Recht behalten. Wagner ist sehr oft auf der Seite der Frauen, ausgerechnet im Parsifal ist ihm das nur halb gelungen.

Viele Regisseure scheuen das Pathos, das bei Wagner ganz elementar ist.

Wenn man Theatraliker ist, ist man pathetisch. Es gibt im Theater nichts ohne Pathos, außer es ist zynisches oder kaltes Theater. Und das interessiert mich nicht. Aber natürlich kann man sich als Pathetiker blamieren. Nietzsche hat Wagner ja als Schauspieler beschimpft, das ist doch ein Kompliment.

Wie gehen Sie mit Buhs um?

Hält man als Regisseur aus. Wenn die Leute sich erregen, müssen sie sich halt erregen. Ich habe Buhs nie verstanden, wenn mir etwas nicht gefällt, gehe ich weg.

Rechnen Sie in Bayreuth mit Buhs?

Ich weiß ja noch nicht, ob ich mich verbeuge.

Was, einfach nicht rauskommen?

Feige bin ich nicht. Vielleicht komm ich auch raus. Mal sehen.

Wagners „Parsifal“ wird am 25. Juli ab 18 Uhr u.a. ins Gloria, Mathäser, CinemaxX sowie in Kinos in Gröbenzell, Erding und Fürstenfeldbruck übertragen

 

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