Interview

Theaterakademie August Everding: Barbara Gronau will mehr Vernetzung

Die neue Präsidentin der Theaterakademie August Everding über ihre Pläne - und das süße Nichtstun.
Robert Braunmüller
Robert Braunmüller
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Barbara Gronau im Prinzregententheater.
Barbara Gronau im Prinzregententheater. © Marie-Laure Briane

München - AZ-Interview mit Barbara Gronau: Die Theaterwissenschaftlerin promovierte mit einer Arbeit über den Zusammenhang von Bildender Kunst und Theater. Anschließend lehrte in Düsseldorf und Berlin.

Die kursierenden Gerüchte, dass die Musikhochschule die Theaterakademie August Everding schlucken könnte, haben sich nicht bestätigt. Als Nachfolgerin von Hans-Jürgen Drescher leitet Barbara Gronau seit September die im Prinzregententheater beheimatete Ausbildungsstätte für Theaterberufe. Die Berlinerin leitete zuletzt als Dekanin die Fakultät Darstellende Kunst an der Universität der Künste in ihrer Heimatstadt. Sie verfügt auch über Erfahrungen als Dramaturgin, Kuratorin und Performerin.

AZ: Frau Gronau, was hat Sie aus Berlin nach München gelockt?
BARBARA GRONAU: Zuerst einmal die Reputation, die Ausstattung und die Eigenständigkeit der Theaterakademie August Everding. In Berlin habe ich zwar eine ähnlich große Fakultät an einer der größten Kunsthochschulen geleitet, aber die war dort nur eine von Vielen. Hier ist die Ausbildung für Theaterberufe eine eigenständige Institution in einem wunderbaren Gebäude. Das war schon sehr verlockend.

Und zweitens?
30 Jahre haben männliche Intendanten dieses Haus geführt. Im Sinn gesellschaftlicher Repräsentationsverhältnisse war da ein Wechsel fällig. Das hat mich bestärkt, diesen Schritt zu gehen.

Als Nachfolgerin von Hans-Jürgen Drescher leitet Barbara Gronau seit September die im Prinzregententheater beheimatete Ausbildungsstätte für Theaterberufe.
Als Nachfolgerin von Hans-Jürgen Drescher leitet Barbara Gronau seit September die im Prinzregententheater beheimatete Ausbildungsstätte für Theaterberufe. © Marie-Laure Briane

Wo soll die Theaterakademie aus Ihrer Sicht in zehn Jahren stehen?
Zunächst: Ich habe einen Vertrag für fünf Jahre. Die Theaterakademie bietet Bachelor- und Masterstudiengänge nach dem Bologna-System an. Die Anpassung der Lehre an diese Anforderungen ist sehr aufwendig, wenn zugleich die künstlerische Freiheit erhalten werden soll. Ein zweites Ziel wäre eine verstärkte interdisziplinäre Arbeit der Studiengänge in gemeinsamen Projekten, die bei der Gründung eine wichtige Rolle gespielt hat. Das ist zwar in den Strukturen angelegt, hat aber wegen der Bologna-Regeln etwas abgenommen. Das möchte ich retten. Und schön wäre es auch, wenn wir die Vernetzung mit Theatern und anderen Kulturinstitutionen im deutschsprachigen Raum weiter ausbauen könnten.

"An dieser Finanzkatastrophe sind wir glücklicherweise vorbeigeschlittert"

Die Theaterakademie finanziert sich auch durch die Vermietung des Prinzregententheaters an private Veranstalter. Diese Einnahmen fehlten in den letzten beiden Jahren. Gibt es da ein Problem?
Das Ministerium hat uns - wie die anderen Theater auch - finanziell großzügig unterstützt, um diese Ausfälle wettzumachen. An dieser Finanzkatastrophe sind wir glücklicherweise vorbeigeschlittert.

Ihr Vorgänger Hans-Jürgen Drescher sprach immer wieder von baulichen Problemen.
Das Prinzregentheater ist 120 Jahre alt. Für einen denkmalgeschützten Bau muss man ständig Finanzen akquirieren, um den Bestand zu sichern, etwa durch die Anpassungen an die Erfordernisse des Brandschutzes. Ich würde mir wünschen, die Räume so weit zu ertüchtigen, dass die Lehre und Ausbildung vollständig inklusiv möglich sind. Das ist derzeit nicht möglich, weil der rückwärtige Teil des Gebäudes nicht barrierefrei zugänglich ist. Das würde mehrere Millionen kosten, wäre aber auch eine notwendige Anpassung an Vorgaben, die auch für andere Bildungsinstitutionen gelten.

Wie gestaltet sich das im Verlauf der Geschichte der Theaterakademie nicht ganz friktionsfreie Verhältnis zur Hochschule für Musik und Theater?
Die Musikhochschule ist unser wichtigster Kooperationspartner. Die Studierenden sind dort immatrikuliert. Bei uns findet der Praxis-Unterricht statt. Dieses Modell hat sich bewährt, es gibt keinen Grund es zu ändern. Aber natürlich lässt sich diese Vernetzung auch weiterentwickeln und vertiefen. Durch die Wahl von Lydia Grün zur Präsidentin werden nun alle Kunsthochschulen in München von Frauen geleitet. Das ist doch ein interessanter Punkt im bayerischen Hochschul-Zusammenhang, den Außenstehende vielleicht für konservativ halten.

"Die Leute geben weniger Geld für Kultur aus"

Der Eindruck drängt sich auf, dass das Theater als kulturelle Institution an Bedeutung verliert. Wie reagiert eine Ausbildungsstätte wie die Theaterakademie auf diese Entwicklung?
Darauf gibt es keine einfache Antwort. Mein Eindruck ist ein doppelter: In der Zeit des Lockdowns haben wir uns nach nichts mehr gesehnt als nach kollektiven Zusammenkünften in einem analogen Raum. Theater ist der Inbegriff solcher Ereignisse. Zugleich bemerken wir einen Rückgang bei den Besuchern. Wahrscheinlich fehlt im Moment die langfristige Planbarkeit. Außerdem spielt die ökonomische Grundsituation mit hinein: Die Leute geben weniger Geld für Kultur aus. Dass das Theater an inhaltlicher Relevanz verlieren würde, sehe ich nicht. Es ist in eine Situation geraten, in der es seine eigene Legitimität noch einmal überdenken muss. Das hat mit Fragen von Macht und Machtmissbrauch zu tun, die aus dem Selbstbild des Theaters lange verdrängt wurden. Auch die Frage der Nachhaltigkeit im Umgang mit Energie und Material stellt sich angesichts der Klimakatastrophe neu. Das ist noch im Fluss.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Theater neigt zu einer Selbstbeschäftigung, die das Publikum bisweilen ausschließt.
Das kann man nur an konkreten Beispielen diskutieren. Dass sich die Künste in ihren Formen reflektieren und zitieren, gehört doch seit 100 Jahren zum Regietheater.

Sie stecken voller Tatendrang, doch das Nichtstun gehört zu Ihren Forschungsschwerpunkten als Wissenschaftlerin. Wie geht das zusammen?
Ich habe viele Jahre im Zusammenhang mit Performativität über das Tun und das Machen geforscht. Das Nicht-Tun gerät dabei aus dem Blick. Daher haben wir uns mit der subversiven Seite des Nicht-Tuns und der Passivität beschäftigt. Das Theater ist dafür ein interessanter Fall: Nicht-Tun auf der Bühne sorgt sehr schnell für Proteste im Publikum.

"Die Akademie bringt jährlich insgesamt über 40 Produktionen in sechs Spielstätten heraus"

Am Theater hängt die Fahne der Ukraine, im Schaukasten an der Pforte lese ich auf dem Probenplan von einer ukrainischen Gruppe. Was hat es damit auf sich?
Wir haben im Studiengang Schauspiel eine Gruppe ukrainischer Geflüchteter aufgenommen - mit dem Status von Gasthörern, der sie befähigen soll, nach einiger Zeit ein Vollstudium aufzunehmen. Wir haben mit Jochen Schölch und dem Metropoltheater eine Möglichkeit zur Unterbringung gefunden.

Was sind die nächsten größeren Projekte der Akademie?
Am 11. November hat "Twelfth Night" von Shaina Taub und Kwame Kwei-Armah im Prinzregententheater Premiere. Das ist eine zeitgenössische, urbane Musical-Bearbeitung von Shakespeares "Was ihr wollt", mit der wir das 25-jährige Bestehen des Studiengangs Musical feiern. Davor gibt es ab 24. Oktober noch Francesco Cavallis "Il Giasone" in der Reaktorhalle - eine Oper aus dem 17. Jahrhundert. Die Akademie bringt jährlich insgesamt über 40 Produktionen in sechs Spielstätten heraus. Wir zeigen die gesamte Vielfalt des Theaters der nächsten Generation, mit ihren Themen und Spielweisen - und das bei moderaten Eintrittspreisen.


"Il Giasone" ab 24.Oktober in der Reaktorhalle, Luisenstraße 37a, "Twelfth Night" ab 11. November im Prinzregententheater. Infos und Karten unter theaterakademie.de

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.