Interview

Alex Balga über "Dracula" im Deutschen Theater: "Das Böse ist immer und überall"

Das Vampir-Musical will in der Schwanthaler Straße mehr als nur gruseln.
Adrian Prechtel
Adrian Prechtel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die Vampirladys im Gefolge von Dracula nehmen Jonathan Harker gierig in die Mangel.
Die Vampirladys im Gefolge von Dracula nehmen Jonathan Harker gierig in die Mangel. © Jochen Klenk

Das richtige Stück zur richtigen Herbstnebel- und Novemberzeit: "Dracula" nach Bram Stoker. Regisseur Alex Balga will dabei dem Horror noch zusätzliche Facetten geben und dabei dem Klassiker treu bleiben. Und der amerikanische Komponist Frank Wildhorn – berühmt durch "Jekyll & Hyde", "Der Graf von Monte Christo" und "Bonnie and Clyde" – lässt den Kampf zwischen Hell und Dunkel auch musikalisch spannungsreich austragen, mit markanten Gitarrenriffs und treibenden Beats.

AZ: Herr Balga, wie erklären Sie sich, dass Dracula- und Vampirgeschichten seit dem 19. Jahrhundert ein nicht tot zu kriegender Dauerhype geblieben sind?
ALEX BALGA:
Körpersäfte – wie in diesem Fall Blut – auszutauschen, Beißen als Metapher für einen Kuss und Eindringen gleichzeitig: Das alles hat eben auch etwas ungemein Erotisches, Sexuelles, das man im victorianischen England – und auch anderswo – nicht explizit ausdrücken durfte. Das erklärt auch, dass Vampire immer für Teenager so faszinierend waren und sind. Dann hat Bram Stoker mit "Dracula" auch die ganze Opium- und sonstige Drogensüchtigkeit der Gesellschaft seiner Zeit erlebt. Und irgendwie haben im Hintergrund diese Vampirbisse, die einen rauschhaft verwandeln, auch damit etwas zu tun.

"Dracula" als verletzte und leidende Figur

Woher haben Sie – neben dem Roman von 1897 – den Stoff für Ihr Musical?
Das deutsche Musical-Buch gibt es schon seit 2005, zuvor war "Dracula" am Broadway. Ich stelle aber das Böse noch etwas anders dar: eben nicht nur in Dracula, sondern ins Ensemble ausgeweitet. Denn "das Böse ist immer und überall", wie schon die EAV gesungen hat. Bram Stoker hatte einen Horrorroman geschrieben, in dem Dracula aber eher ein eindimensionales Monster ist. Das Musical hat – gerade auch durch das Singen – die Chance, das Innenleben, die Gefühle von Dracula zu zeigen. Er ist auch eine leidende, verletzte Figur. Es ist die unverarbeitete Liebe zu seiner verstorbenen Geliebten, die er plötzlich in der Frauenfigur Mina wieder sieht. Mina Murray haben wir dann auch neben Dracula ins Zentrum gerückt.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Was bleibt dann noch als Böses?
Es ist eben spannenderweise eher "das Verbotene", wozu sich Mina auch hingezogen fühlt, weil die Gesellschaft ein starkes Tabu-Korsett um Frauen, aber eigentlich um alles geschnürt hat, was zum Ausbruch drängt. Nach Sigmund Freud wäre psychologisch die Gesellschaft mit ihren Moralvorstellungen das Über-Ich. Dracula hingegen verkörpert das anziehende Es. Übrigens auch, weil ihr Verlobter Jonathan Harker befangen ist und nicht zu seinen Gefühlen durchstoßen kann.

Regisseur Alex Balga: "Mein 'Dracula' ist eher ein Psychogramm"

Und dauernd auf Geschäftsreise ist.
Ja, sie ist eine vernachlässigte Frau. Deshalb ist mein "Dracula" auch eher ein Psychogramm.

Der Stoff wurde seit genau 125 Jahren ja Dutzende Mal aufgegriffen. Hätte man ihn da nicht ironisch anpacken müssen?
Das gibt der Stoff selbst nicht her. Man kann und muss auch Witz einbauen, wie bei den Vampirjägern. Aber das Stück ist keine Persiflage, sondern geht in die großen Gefühle.

Und wo bleibt dann der "gothic" Grusel?
Das geht auf einer Bühne sehr gut. Wir kommen mit dieser Inszenierung von einer Open-Air-Bühne, wo das viel schwieriger ist, als im Raum des Deutschen Theaters mit seiner ganzen Theatermaschinerie. Und wir haben für die spannende Atmosphäre – im Gegensatz zu vielen anderen Produktionen – auch noch eine richtig große Band als Orchester.


Bis 13. November. Voraufführung am Do., Premiere am Fr. im Deutschen Theater, Schwanthalerstr.13, Karten: 089 -  55 23 4444 www.deutsches-theater.de

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.