Tanzwerkstatt Europa im Gasteig: Die Sorgenfreien und der Tod
Was für ein wundervoller Auftaktabend, den man sich so rigoros krude und sicherlich nicht dermaßen zeitlos berührend, verspielt bzw. energetisch packend vorgestellt hätte. Zudem steht ein Komponist im Mittelpunkt, dessen 200. Todestag man vor 30 Jahren gedachte - in eben jenem Jahr, als Walter Heun vier europäische Choreografen mit Stücken rund um "Mozart" beauftrage und damit den Grundstein zu seiner fortan jährlich ausgerichteten "Tanzwerkstatt Europa" legte.
Der Portugiese Rui Horta und der gebürtige Würzburger Micha Purucker - beide 1991 an der Schwelle zu internationaler Bekanntheit - waren darunter. Nun haben sie ihre alten Stücke mit Tänzern des Gärtnerplatztheaters neu einstudiert. Einer Bande formidabler Performer, die sich offensichtlich gerne unterschiedlichste choreografische Herausforderungen so einfach wie zwei Paar Handschuhe überstreifen.
Die Lust, sich auf energetische Cluster, tänzerische Impulsivität und spannungsstarke Momente intensiv-flüchtiger Partnerschaft auf der Bühne einzulassen, die lange zurück unter Einflüssen des Befindlichkeits- und Sound-Kosmos der späten 80er Jahre schon einmal eine komplett andere Generation Tänzer bewegt haben, ist jedem einzelnen anzusehen.
Re.Visited - 3 Works On Mozart: Gelungener zeitgenössischer Dreiteiler
Dazu hat man für die Eröffnungsproduktion "Re.Visited - 3 Works On Mozart" noch den Schweizer Thomas Hauert für eine Uraufführungsdreingabe mit ins Boot geholt. Zu Mozarts früher Symphonie Nr. 29 geriet diese mit ihrem strudelartig kreisenden Drive einer quirligen achtköpfigen Schwarm-Gruppe zum charmant-witzigen Dreh- und Angelpunkt eines gelungenen zeitgenössischen Dreiteilers, der per Rückblick auf die Festivalanfänge Gegenwart und Vergangenheit für pausenlos kurzweilige eineinhalb Stunden auf einen gemeinsamen Nenner brachte: Tanz pur als probates (Ausdrucks-) Mittel zur abstrakt-sorgenfreien Visualisierung einer Komposition, im dynamischen Umgang mit zwischenmenschlichen Bindungen und Verlusten (Purucker) oder einem sich Sich-Ablenken vom und Hadern mit dem Tod (Horta). Stets fein in einen bloß durch Lichtstimmungen - oder im Fall von Horta mittels harter Wechsel von Hell und Dunkel - ästhetisch ausgekleideten Raum hineinchoreografiert.
Sequenzweise schieben melodische Fetzen (Purucker) respektive leise, wie aus der Ferne und manchmal von Alltagsgeräuschen überdeckte Klänge Mozartscher Musik (Horta) die choreografischen Passagen an, deren Fluss aus Solos, Duetten und (vor allem bei Horta sich staffelnden) Gruppierungen nichts an Reiz eingebüßt haben.
Noch einmal am 23.7., Gasteig/Carl-Orff-Saal, 20:30 Uhr. Davor und danach im Foyer ist Puruckers Urfassung seines Stück im Video zu sehen. Karten (für alle Tanzwerkstatt-Vorstellungen) online über München Ticket, Telefon 089/54818181
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