"Spiel des Lebens" im Residenztheater: Da hat der Spaß ein Loch
München - Manchmal ist nicht zu glauben, dass die drei Stücke, die hier zu einem dreiaktigen Abend montiert wurden, tatsächlich im späten 19. Jahrhundert geschrieben wurden. Da erklärt ein rechtsradikaler Philosoph mit politischen Ambitionen, "die Wahrheit liegt in der Mitte" und es hört sich an wie ein O-Ton eines Sprechers der AfD, die mit zunehmender Verzweiflung behauptet, die bürgerliche Mitte zu repräsentieren. Im ohnehin katastrophenschwangeren zweiten Teil dräut zudem ein rätselhaftes, aber tödliches Fieber, das sich immer weiter ausbreitet.
Autor Knut Hamsun war ein blühender Nazi
Die Seuche unserer Tage führte dazu, dass die Premiere von "Spiel des Lebens" auf den 77. Jahrestag der deutschen Kapitulation und damit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fiel. Die faschistische Gesinnung, die den "totalen Krieg" brachte, lebt noch immer und ist munter wie schon lange nicht. Sie machte auch nicht vor Nobelpreisträgern Halt.
Knut Hamsun erhielt den Literaturpreis 1920 für den Roman "Segen der Erde", gefeiert auch von Thomas Mann, Hermann Hesse oder Kurt Tucholsky. Bald darauf wurde aus dem geehrten Schriftsteller ein norwegischer Nazi, der die Besetzung seines Landes durch Deutschland begrüßte.
Die Begegnung zwischen Hamsun und Hitler 1943 auf dem Obersalzberg wäre auch Stoff sowohl für eine Komödie als auch für ein tragisches Drama, denn der Nazi aus dem Norden war gegenüber den Herrenmenschen mit Hakenkreuz dann doch nicht unterwürfig genug und der Führer tobte.
Ivar Kareno lebt in prekären Verhältnissen - bis er als Privatlehrer engagiert wird
Schon ein knappes Jahrhundert zuvor hatte er in der "Kareno-Trilogie" den Weg eines Intellektuellen beschrieben, der mit seinen Schriften gegen Demokratie und liberale Gesellschaften zu Felde zieht.
Ivar Kareno ist 30 Jahre alt und lebt zusammen mit Ehefrau Elina in Verhältnissen, die man heute als prekär bezeichnet. Von seinen umfänglichen Buchmanuskripten lassen die Verleger lieber die Finger, aber sie könnten sich die Veröffentlichung in entschärfter Fassung vorstellen.
Kareno bleibt stur und, wie Teil 1 des Dreiteilers betitelt ist, "An des Reiches Pforten" stehen. Zehn Jahre später nimmt er immerhin Teil am "Spiel des Lebens" und gehört als Privatlehrer der Kinder eines wohlhabenden Marmorbruch-Besitzers zur High Society.
Weitere zehn Jahre später sind seine Ansichten für die bürgerlichen Kräfte noch immer zu radikal, doch sollte er von seinen Ansichten abschwören, hätten sie den 50-jährigen Vordenker gerne in der Parteiführung. Inzwischen hat sich eine ultrarechte Bewegung gebildet, die gleichfalls um Kareno buhlt.
Dürfen solche Stücke aufgeführt werden?
In der "Abendröte" seines Lebens muss er sich entscheiden: Will er eine gereifte politische Persönlichkeit sein um den Preis, seine Ideale aus seiner Sturm-und-Drang-Zeit zu verraten? Oder bleibt er seiner Jugend treu und wird Anführer einer demokratiefeindlichen Aktivistentruppe?
Eine dritte Frage könnte sein, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, das Werk eines bekennend nationalsozialistischen Autoren auf die Bühne zu bringen. Dramaturg Ewald Palmetshofer antwortet in seinem Programmheftbeitrag mit einem klaren Ja und empfiehlt, "Hamsun gegen Hamsun" zu lesen, um den Kern des Faschismus zu erkennen.
Regisseur Stephan Kimmig ist diesem Rat gefolgt und zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Thema nur mit Satire beizukommen ist. Den vielen so guten Schauspielerinnen und Schauspielern am Residenztheater ist zu danken, dass Schlimmeres verhindert wurde.
Max Mayer - Eine Figur, die Aufmerksamkeit verdient
Der schlaksig schlanke Max Mayer wirkt mit seiner aggressiven Hyperaktivität wie Friedrich Nietzsche im Luis-de-Funès-Modus, der im Alter zudem zwangsneurotisch Teppichläufer nicht betritt, sondern sehr sportlich überspringt. Dennoch findet Mayer zwischen all dem Ulkigen eine Figur, die Aufmerksamkeit verdient und diese auch fordert.
Das letzte Bild überlässt Kimmig der nachfolgenden Generation. Karenos kleine Tochter Sara (Silvia Pfleghar) verlässt vor dem heruntergefahrenen Eisernen Vorhang die Bühne in einem Pullover mit der vokalreduzierten Botschaft "FCKNZS". So demokompatibel lässt sich selten ein dreistündiger Theaterabend zusammenfassen.
Residenztheater, wieder am 5. und 16. Juni, 18.30 Uhr, Karten unter Telefon 089/ 21 85 19 40