"Sonnensamen": Radikal freundliche Utopie
Sie sind angekommen und sicher: Hier ist der Garten Eden, alles wird gut. Von den paradiesischen Zuständen kündet der gepflegte Lattenzaun mit den akkurat kugelig geschnittenen Buchsbäumchen in den Blumenkästen. Mit ihren Kakteen aber können die Neuankömmlinge bei den Alteingesessenen zunächst nicht punkten. Erst nach kuriosen Missverständnissen, kleinen Krisen und einer großen Katastrophe finden beide Gruppen zusammen, gemeinsam ein Sonnenblumenfeld zu säen und zu ernten.
Eine Geschichte von Flucht und vom Ankommen
Wie diese Katastrophe aussah und letztlich zum multikulturell ländlichen Idyll führte, deutet die diesjährige Theaterproduktion des Vereins Grenzenlos in der Mohr-Villa nur an. "Sonnensamen'" ist eine Geschichte von Flucht und vom Ankommen, vom allmählichen Begreifen der Kultur derer, die schon da waren und deren langsam wachsende Erkenntnis, einfach mal über den Zaun hinaus zu blicken. Die einen haben, wie es in den wenigen Texten aus dem Off heißt, Angst vor ihrer Vergangenheit, vor der sie entkamen, die anderen fürchten eine Zukunft, die ihre Ordnung und den Frieden stören könnte.
Regisseur Viktor Schenkel ist dabei weit entfernt von der mitunter bizarren Dramatik, mit der er Vorgängerproduktionen wie "Seelenstärke 10" oder "Orient Connection" befeuerte. Diesen Clash der Kulturen brachte er in eine Folge von lebenden Bildern fast ohne Worte. Auch anders als in den Vorjahren gehen die Darstellerinnen und Darsteller aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien ohne die Unterstützung von Profis auf die Bühne. Die elf jungen Frauen und Männer erstaunen umso mehr mit ihrer Präsenz, mit der sie die aus eigenem Erleben entwickelten Situationen spielen.
Allegorische Choreografien und atmosphärestarke Musik
Der ruhige Fluss allegorischer Choreografien wird von der unaufgeregten und doch atmosphärestarken Musik von Joscha Baltes begleitet. Sehr aufmerksam, zart, geradezu zärtlich wird von Abstoßung und Anziehung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft berichtet. Das ist nicht nur sympathisch. In Zeiten der allgegenwärtigen Aufgeregtheiten ist es mutig und fast radikal, eine Stunde lang im Theater in aller Freundlichkeit von einer keineswegs unmöglichen Utopie zu berichten.
Mohr-Villa, Situlistraße 75, München-Freimann, 3. bis 5., 10. bis 12., 24. bis 28. August, 20.30 Uhr, Karten unter www.theater-grenzenlos.org
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