Raoul Schoregge und sein "China Girl": Clown und Gefühlsproduzent
München - Mit dem Chinesischen Nationalcircus ist der Showproduzent verbandelt verbandelt, seit er die Tournee im Jahr 2000 von André Heller übernahm. Seitdem hat Raoul Schoregge das Konzept weiterentwickelt, und statt Nummernrevuen setzt er auf abendfüllende Erzählungen.
Die von ihm erdachte Show "China Girl" bringt nun die West Side Story, also eine Romeo-und-Julia-Geschichte, mit chinesischer Akrobatik und den Songs von David Bowie zusammen. Das klingt ein bisschen verrückt, aber Schoregge ist nach den Publikumsreaktionen bei den wenigen Shows, die bislang möglich waren, überzeugt, ein richtig heißes Eisen im Feuer zu haben.
Er selbst kennt das Showgeschäft, seit er vor fast drei Jahrzehnten als Clown Coreggio feste Engagements beim Circus Krone und Circus Sarrasani hatte. Und Buchautor ist der Showmann auch.

AZ: Herr Schoregge, Sie haben Ihre Biografie geschrieben, gewürzt mit chinesischen Weisheiten. Welche hat Sie denn durch die Pandemie getragen?
RAOUL SCHOREGGE: Der Mann, der den Berg weggeräumt hat, war derselbe Mann, der angefangen hat, kleine Steine wegzuräumen." Das ist so mein Spruch, der mich durch die Corona-Zeit gebracht hat, weil ich ihn ermutigend finde. Wir räumen doch jeden Tag die kleinen Steine weg, um etwas Großes zu schaffen. Hoffentlich!
Schoregge: "Ich war auf der Überholspur mit einem Zwölfzylinder"
Sie wurden hart ausgebremst.
Ich hatte im Winter 2019/20 fünf verschiedene Weihnachtscircus-Projekte in ganz Europa, plus eine große Tournee und das neue Programm "China Girl" in Vorbereitung. Ich habe mit vielen Bällen gleichzeitig jongliert, bin in Dublin gewesen, in New York. Ich war also auf der Überholspur mit einem Zwölfzylinder - und Corona hat mich auf ein Fahrrad gesetzt, bei dem die Kette abgefallen war.
Wie haben Sie die Zeit überstanden?
Natürlich bin ich mental in ein Loch gefallen. Und dann habe ich an mir selber festgestellt, dass ich Teil dieses Cocoonings wurde, des Zurückziehens ins Privatleben. Das wird uns im Kulturbereich auch auf lange Zeit begleiten: Der Postcoronaschaden ist wahrscheinlich größer als die ganzen Verbote, die es gab. Den Menschen wurde regelrecht abtrainiert, rauszugehen und sich Live-Entertainment zu stellen.
"Ich konnte die Bühnenabstinenz einfach nicht mehr ertragen"
Sie nennen sich einen Gefühlsproduzenten.
Ich bin ja Clown, also ein klassischer Gefühlsproduzent, weil er das Lachen, Weinen oder Erschrecken bei seinem Gegenüber hervorruft. Darauf baue ich auch bei meinen anderen Tätigkeiten auf. Ich versuche immer, Menschen durch eine große Emotionalität zu berühren. Bei der aktuellen Show habe mich auch wieder mit einer Rolle als Clown hereingeschrieben, so wie Hitchcock auch immer durch seine Filme gelaufen ist. Ich konnte die Bühnenabstinenz einfach nicht mehr ertragen. Außerdem erreicht man als Produzent eine andere Identifikation mit den Künstlern, wenn man auch auf der Bühne steht. Militärisch gesagt: Wenn der General mit auf dem Pferd sitzt, dann marschiert das Bataillon anders.

Chinesische Spitzenakrobatik kennen wir ja schon länger, Sie verbinden diese immer mit einer Geschichte.
Ich dachte mir immer, Akrobatik als Selbstzweck ist manieriert und bringt uns nicht weiter. Ich habe eher in dem Staunen, das die Akrobatik hervorruft, eine Chance gesehen, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen, und dann kann ich auch eine Geschichte mitteilen. Und weil wir keine Volkshochschule auf Tournee sind, habe ich immer Geschichten genommen, die emotional bewegen.
"Dieses Mal geht es nicht um die chinesische Kultur alleine"
David Bowies Chinabezug außerhalb seines mit Iggy Pop in Berlin geschriebenen Songs "China Girl" ist mir nicht bekannt.
Dieses Mal geht es nicht um die chinesische Kultur alleine, sondern darum, was passiert, wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen. Unsere Geschichte spielt daher in New York um die Jahrtausendwende, im Mikrokosmos zwischen "Chinatown" und "Little Italy" mit einer Liebesgeschichte, aber auch vielen Rivalitäten. Dieses Mal kam die Idee durch Bowies Song. Aber der wesentliche Punkt ist, dass diese Liebesgeschichte zwischen dem italienischen Jungen und dem chinesischen Mädchen wahr ist, er ist bei mir im Team passiert. Dou Dou und Roberto haben sich bei mir kennengelernt und geheiratet. Und jetzt stehen die beiden auf der Bühne.
Wie bekommt man denn die Rechte der Bowie-Songs?
Mein Partner Hermjo Klein hat mehrere Bowie-Tourneen in seinem Leben gemacht. Der hat beim Bowie-Management angefragt. Für Deutschland muss man das gar nicht, hier gibt es die Gema, an die man dann die Nutzungsgebühren bezahlt. Aber das Fernziel unserer Produktion ist schon Amerika. Und da brauchen wir natürlich die Erlaubnis der Bowie-Erbengemeinschaft.
"Alicia passt perfekt zum Spirit des Stücks"
Aber niemand singt wie Bowie.
Natürlich nicht, wir haben deswegen auch gar nicht erst versucht, danach zu suchen. Bowies Stücke sind neu arrangiert und werden von dem Gitarristen Martin Weiss und der Sängerin Alicia Nilsson - unterstützt von unterschiedlichen zugespielten Samples - in der Show live präsentiert. Alicia passt perfekt zum Spirit des Stücks: Sie hat einen schwedischen Pass und einen argentinischen Vater, ist in Italien aufgewachsen, wohnt auf Mallorca und arbeitet jetzt im chinesischen Nationalcircus. Im Stück ist sie auf der italienischen Seite Besitzerin eines Cafés und singt dort die Bowie-Songs.
Welche Form der Akrobatik haben Sie ausgewählt?
Meine Akrobaten machen die traditionellen, chinesischen Geschichten, wie zum Beispiel die Vasenjonglage mit einer elf Kilogramm schweren Porzellanvase. Solche Nummern chinesischer Akrobatik lassen sich über 2.000 Jahre zurückverfolgen. Aber es gibt natürlich auch westliche Künstler, die dann in Little Italy ihre Kunststücke aufführen.
Deutsches Theater, Schwanthalerstraße 13, nur am 22. Februar um 20 Uhr, Karten unter Telefon 089/ 55 234 44
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