Posthof im Deutschen Museum: Infiziert vom Kleinkunstvirus
Den 7. Mai 2025 könne man sich schon mal in den Kalender schreiben, empfiehlt Wolfgang Heckl, seines Zeichens Generaldirektor des Deutschen Museums. Hundert Jahre nach der Eröffnung des Neubaus - damals am 70. Geburtstag des Gründers Oskar von Miller - soll die seit gefühlt 700 Jahren währende Sanierung des gewaltigen Komplexes abgeschlossen sein. Natürlich inklusive des Innenhofes, der in den beiden vergangenen Corona-Sommern die Heimstatt des kabarettaffinen Teils der Münchner Bevölkerung war, neben dem lauschigen Garten der Seidl-Villa, dem noch lauschigeren Park der Katholischen Akademie in Schwabing.
Aus Corona-Teststelle wird Bühne für Kabarett und Kleinkunst
Alles Open-Air-Spielorte, die Till Hofmann aus dem Hut gezaubert hat, was ihm die Kleinkunstfreunde mit hartnäckigen, zum Teil auch wasserfesten Besuchen dankten. Schwer fassbare 250 Open-Air-Vorstellungen hat er im vergangenen Jahr gewuppt.
Heuer sieht es anders aus: Die Seidl-Villa ist eine Baustelle, der Innenhof des Deutschen Museums ebenso, und das erst mal für sechs Jahre. Doch wie nicht anders zu erwarten, hat Hofmann dennoch wieder einen Platz ausgekundschaftet: den Kleinen Posthof, allen Münchnern bestens bekannt, weil da zuletzt die große Corona-Teststelle daheim war. Dort will man nun im August versuchen, "das Publikum wieder mit dem Kabarett- und Kleinkunst-Virus zu infizieren, denn dieser hat im Zuge der Pandemie arg leiden müssen", heißt es in der Ankündigung für die dritte Ausgabe des "Eulenspiegel Flying Circus", der von heute an wieder mit den Größen des deutschsprachigen Kabaretts aufwartet, beginnend mit Alfred Dorfer über Ludwig Müller, Luise Kinseher, Blözinger, Dreiviertelblut, Christine Eixenberger, Django Asül, Helmfried von Lüttichau, Severin Groebner, Massimo Rocchi, Matthias Egersdörfer, Sven Kemmler, Sigi Zimmerschied, Philipp Weber und vielen mehr. Klingt toll, und doch hat die Szene zu kämpfen und zwar gewaltig.
"Wir merken, dass wir uns das Publikum wieder erspielen müssen", sagt Hofmann und berichtet, dass nur noch ein Drittel oder gar die Hälfte der Zuschauer komme, was "ziemlich dramatisch" sei. Die Angst vor dem Virus spiele sicher noch eine Rolle, zudem eine gewisse Entwöhnung, was die Nutzung kultureller Angebote angehe, aber auch der dünnere Geldbeutel. Auf einem Wochenmarkt habe ihm ein Hendlbrater erzählt, dass er in der vierten Woche des Monats nur noch halb so viel Umsatz mache.
Entwicklung zur Abendkasse
Generell gebe es eine Entwicklung zur Abendkasse, und nicht nur ihm stellt sich die Frage: "Wie kriegen wir das wieder hin? Hofmanns Vorschlag: "Indem wir gegen die Hol- und Bring-Dienste und die Netflix-Vereinsamung anspielen." Und sei es auch nur im überschaubaren Posthof. Während nebenan im Innenhof des Deutschen Museums bis zu 400 Gäste kommen durften, sind es hier nur bis zu 180. Aber immerhin! "100 ist das neue 350", sagt Constanze Lindner, die sich schon auf die "heimelige Theater-Atmosphäre hier" freut.
So komplex die Umstände des Zuschauerrückgangs auch sein mögen: Hofmann glaubt, dass sich die Szene umstellen muss: "Es braucht neue Formate. Das geht in eine Richtung, die womöglich viel kreativer ist. Vielleicht müssen Kabarettprogramme auch nicht mehr vier Jahre lang gespielt werden." Folgende Kritik höre er immer öfter: "Sind manche Protagonistinnen der Szene zu sehr universalwissend mit Urteilen über Menschen, die Politik und die gesellschaftlichen Verhältnisse auf den Bühnen unterwegs? Wollen das die Leute einfach nicht mehr so zahlreich sehen? Kriegen wir mitunter reflexionsfreie Meinungen gegen Eintritt serviert? Ist Kabarett nicht an sich suchend, kritisierend und zweifelnd als Kunstform zu verstehen, oder reichen vor sich hin meinende, teils höchst reaktionäre Laubbläser als Kabarettdarsteller?"
Viele Leute wollen scharf analytisches Kabarett ohne Besserwissereien
Die Szene müsse sich selbst prüfen, zusammenrücken und streiten, findet er: "Die Leute wollen Kabarett als Kunstform, wollen Leute wie Hader, Dorfer, Uthoff, Eckart, Reiners, Zimmerschied. Die verlieren gerade kein Publikum. Ihre Figuren zweifeln, verzweifeln, sind grob, aber gut gespielt, klug und witzig. Viele Leute wollen scharf analytisches Kabarett ohne Besserwissereien - und viele zum Glück auch eine Gaudi."
Die Reihe beginnt am 1. August um 19.30 Uhr mit einem Auftritt von Alfred Dorfer im Kleinen Posthof. Karten für alle Veranstaltungen telefonisch von Mo bis Fr 14 bis 18 Uhr unter Telefon 089 34 49 74 sowie an den bekannten Vorverkaufsstellen
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