Musical "Working": Ran an die schlecht bezahlte Arbeit
München - Böse Zungen behaupten, die jährliche Musical-Produktion der Theaterakademie August Everding sei in erster Linie etwas für Verächter dieser musikdramatischen Form. Auch heuer steht ein eher untypisches Werk auf dem Spielplan, das Psychologie und Sozialkritik mit Musik und Tanz ausdrückt - und das überraschend originell.
Das Musical "Working" von Nina Faso, Stephen Schwartz und anderen basiert auf dem gleichnamigen Buch der amerikanischen Reporter-Legende Studs Terkel, der als Pionier der Oral History mit ganz alltäglichen Leuten über ihre Arbeit, ihr Leben und ihre Enttäuschungen gesprochen hat. Dass das Stück ursprünglich aus der Reagan-Ära stammen muss, erkennt man im Akademietheater des Prinzregententheaters nur an einer Anspielung auf Nicaragua und die Contra-Affäre.
New Economy und Call-Center, Paketfahrer und Hedgefonds-Manager
Die Regisseurin April Hailer inszenierte eine 2012 überarbeitete Version, in der auch prekär Beschäftigte der New Economy wie ein Mitarbeiter eines Call-Centers, ein Paketfahrer und ein Hedgefonds-Manager auftreten.
Aber auch die melancholischeren Geschichten über Entlassungen und pflegebedürftige Eltern durchtränkt der uramerikanische Mythos, dass man den Aufstieg schaffen könne, wenn man es nur wolle. Das macht das Stück erstaunlich alterslos. Marco Beck spielt erst einen Stahlbaumonteur. Vier Rollen später ist er ein schnell gefeuerter, rotzig antikapitalistischer Redaktionspraktikant einer Zeitung. Klaudia Zajak stellt so unterschiedliche Figuren wie eine frustrierte Lehrerin und eine Prostituierte dar. Jacob Hetzner haut erst als Fondsmanager angeberisch auf den Putz und leidet später als depressiver Pressesprecher an einem verpfuschten Leben.
Bis zu sechs unterschiedliche Figuren pro Schauspieler
Auch Larissa Hartmann, Alexander Sichel und Julia Taschler stellen bis zu sechs höchst unterschiedliche Figuren dar. Alle sechs Studierenden des Master-Studiengangs Musical machen das gleich gut und professionell. Die lässige, sich nie restlos auf die Figuren einlassende Musical-Darstellungsweise stört hier nicht. Sie verleiht der Aufführung eine flockige Virtuosität, zumal die Inszenierung auch noch einen verfremdenden Rahmen schafft und am Anfang durch Ansagen der Inspizientin das Gemachte allen Theaters offenlegt.
Die Szenen gleiten elegant ineinander über. In "Working" wird viel gesprochen, die von diversen Musikerinnen und Musikern geschriebene Musik bleibt dem einem gehobenen Schlager-Idiom verhaftet. Wirklich originell ist zwar nur die Tanznummer der Kellnerin (Larissa Hartmann), die ihre Tätigkeit als Kunst begreift. Aber die Darsteller und die kleine Band um Andreas Kowalewitz am Flügel machen die Zweitklassigkeit der Musik während der Aufführung rasch vergessen.
"Working" verzichtet dezidiert auf Glamour und Glitzer. Diesen Ernst bekommt man im kommerziellen Bereich und auch sonst in München selten zu sehen. Es ist erfreulich, dass der von Marianne Larsen geleitete Studiengang immer wieder daran erinnert, was Musical sein könnte, wenn es nur wollte: zeitkritisches Theater mit aktueller Popmusik.
Am 27., 28. und 29. Oktober um 19.30 Uhr im Akademietheater Mitte. Karten zu 22 Euro über theaterakademie.de
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