Münchens kleinstes Opernhaus zeigt Rossinis Erfolgsoper
Das „kleinste Opernhaus Münchens“ ist eine Selbstzuschreibung der Opernprojekte in der Pasinger Fabrik. Jetzt steht nach fast drei Jahrzehnten Opernbetrieb Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ in deutscher Sprache im Programm.
In Florian Hackspiels Libretto-Version von Rossinis berühmtester Opera buffa verliebt sich die umkämpfte Rosina diesmal modern in eine Frau - die Gräfin. Viel entscheidender ist aber die Neuinterpretation der Figur des Barbiers selbst. In der Figur des „Figarossini“ verschmelzen der gewiefte Opernheld Figaro und der Komponist des Stückes zu einer Person.
Figaro und Rossini werden Koch und Puppenspieler
Gioachino Rossini widmete sich in der zweiten Hälfte seines Lebens mehr kulinarischen Genüssen. Noch heute sind auf Speisekarten Gerichte „à la Rossini“ zu finden. Hackspiel greift als Regisseur diesen Aspekt von Rossinis Leben heraus. So wird die Wagenhalle, in der ohnehin Bistrotische stehen und sogar während der Vorstellung gegessen werden darf, zum Restaurant: „Zum Schwan von Pesaro“. Koch und Gastgeber sind fiktiv: eben die Figur des Figarossini. Münchner kennen den Innsbrucker Regisseur Florian Hackspiel vom Gärtnerplatztheater, wo er Lehárs Operette „Friederike“ inszeniert hat und Dozent beim Opernstudio ist.

Rossinis „Il barbiere di Seviglia“ wurde 1816 in Rom uraufgeführt. Im Original aus dem 19. Jahrhundert verliebt sich Graf Almaviva in die schöne Rosina. In Verkleidung und mithilfe des Barbiers Figaro muss er sich gegen den Vormund seiner Angebeteten durchsetzen, der es auf ihre Mitgift abgesehen hat.
Der Graf wird hier zur Gräfin
In seiner Neufassung des Stückes tritt Figarossini, der Barbier, Koch und Schöpfer des Stückes, als alles kontrollierendes Faktotum in Erscheinung. Er ist es, der in seinem Restaurant den „Barbier von Sevilla“ als Puppentheater inszeniert. Doch die Puppen, seine eigenen Kreationen, beginnen ihm zu entgleiten und auf der Nase herumzutanzen. Entsetzt stellt er fest, dass sie ein Eigenleben entwickeln und ohne ihn weiter spielen. Eine Anspielung auf künstliche Intelligenz und die Gefahr, dass wir unsere eigene Schöpfung bald nicht mehr kontrollieren können? Besonders das zentrale Paar Almaviva und Rosina emanzipiert sich. Im Laufe des Stückes werden sie durch ihre Liebe immer menschlicher.
„Wir machen keine Outingstory“, sagt Hackspiel. Aber die Rolle des Grafen Almaviva ist hier eine weibliche, es handelt sich jedoch bewusst nicht um eine Coming-Out-Geschichte. Der Regisseur betont, dass die Handlung durch den Wechsel des Geschlechts nicht verändert wird. Die Liebe zwischen den beiden Frauen steht im Zentrum, ohne dass ihre sexuelle Orientierung zum Thema wird. Dennoch gewinnt die Oper durch diese Besetzung eine feministische Note. Während das Liebespaar immer menschlicher wird, gelingt den Männern die Entpuppung nicht.

Das Almaviva nicht durch einen deutlich höher bezahlten Tenor besetzt wurde, hat auch finanzielle Ursachen. Auch die Pasinger Fabrik hat mit den Kürzungen im Kulturbereich zu kämpfen und leidet als kleinerer Veranstaltungsort ganz besonders darunter.
Wegen der Krise ist das Orchester ein wenig kleiner
Dies bedeutet nicht zuletzt unnötig schwierige Probebedingungen für das gesamte Ensemble, erklärt Hackspiel. In diesem Fall sind alle Rollen des Stückes doppelt besetzt, da die Sängerinnen und Sänger neben den Proben in der Pasinger Fabrik auch noch in anderen Produktionen singen. Es stellt sich die Frage, wie lange Kulturschaffende all dies noch durch extra Engagement und kreative Lösungen auffangen können, um kleinere Produktionen auf die Bühnen zu bringen.
Auch das Orchester fällt aus finanziellen Gründen kleiner aus als sonst. Vom Cembalo aus leitet Dirigent Andras Heinzmann eine Flöte, fünf Streicher und ein Vibraphon. Durch diese Besetzung tritt die Flöte in den sommerlich hellen Melodien stärker hervor als sonst. Abgesehen von der Orchesterbesetzung bleibt Heinzmann mit seiner Fassung aber klar am Original, er habe das Material intensiv studiert und nur „handelsübliche Striche“ vorgenommen. Diese Neuinszenierung des „Barbiers von Sevilla“ zeigt, wie Engpässe zu neuen Perspektiven auf den Originalstoff zwingen, ohne sich inhaltlich oder musikalisch zu weit von diesem zu entfernen.
Ende Juli verlässt Figarossinis Restaurant kurz die Wagenhalle und wird zum Ope(r)n-Air-Restaurant im Innenhof von Schloss Blutenburg.
ab Donnerstag bis 10. August 2025, Pasinger Fabrik, zudem 24. Juli bis 29. Juli: Open Air im Schloss Blutenburg, Karten unter muenchenticket.de
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