Max Uthoff im Interview: "Söder ist extrem umweltschädlich"

Nächsten Mittwoch ist Max Uthoff solo und vor allem live in München zu erleben – mit seinem Programm "Gegendarstellung" im Deutschen Theater.
Dena Brunner |
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München - Seine messerscharfen Analysen der politischen Großwetterlage gehören zum Besten, was das Kabarett zu bieten hat. Und wer Max Uthoff auf der Bühne erleben möchte, muss schnell sein. Umso schöner, dass der Münchner nächsten Mittwoch im nicht gerade kleinen Deutschen Theater auftritt.

Der Jurist schrieb drei Bücher und tritt neben seinem Soloprogramm seit 2014 gemeinsam mit Claus von Wagner im preisgekrönten ZDF-Satiremagazin "Die Anstalt" auf.

AZ: Herr Uthoff, leben Sie im richtigen Bundesland?
MAX UTHOFF: Nun ja, vielleicht. Ich werde nächsten Monat in ein Land ziehen, bei dem ich mir größere Hoffnungen auf mehr Demokratie mache.

Wohin ziehen Sie denn?
Kolumbien.

Großartiger Scherz!
Ich denke, die Koffer sollten allzeit fertig gepackt sein in diesem Freistaat. Aber wenn ich hier in meiner Hängematte liege und in den Himmel gucke, ist mir eigentlich die demografische Bezeichnung des Drumherums relativ Wurscht.

Inwiefern eignet sich Söder als kabarettistisches Zielobjekt?
Im Grunde genommen ist es fast zu einfach. Wir haben hier einen Mann, der extrem umweltschädlich ist, weil er vier Firmenwägen braucht: Einen für sich und drei für seine Egos. Ich persönlich halte ihn für eine satirische Berufsunfähigkeitsversicherung, aber das war bei seinem Vorgänger auch nicht anders.

Da verwöhnt die CSU das Kabarett ja ganz schön.
Ja, seit Jahren. Wir dürfen aber auch den Schmerz nicht vergessen. Das hängt zusammen.

Wird die Politik immer absurder oder war sie schon immer absurd und man regt sich nur mehr auf, weil man mit der Zeit mehr weiß?
Ich bevorzuge natürlich die zweite Interpretation! Ich befürchte aber, es wird deshalb etwas absurder, weil sich die Komik mit immer mehr Ängsten mischt und Ängste häufig irrational sind. Wenn wir uns wochenlang über jemanden in Ellwangen aufregen, der sich nicht festnehmen lassen will und Seehofer dann vom Untergang des Rechtsstaates schwafelt, weiß man ja, dass Angst und Stammtischgerede mit den tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt nicht mehr in Einklang zu bringen sind.

Sie haben Jura studiert, sind aber weder Anwalt noch Richter geworden – mit der Begründung, Sie hätten schon während des Studiums gemerkt, dass die Rechtsanwendung wenig mit der Frage der Gerechtigkeit zu tun habe. Ist der deutsche Rechtsstaat nur ein theoretisches Konstrukt?
Nein, es hat schon Hand und Fuß. Aus linker Perspektive betrachtet ist jedoch Recht auch immer das Recht der Besitzenden. So wird es dann auch verteidigt, denn die Aufregung ist groß, wenn Autos angezündet werden, aber bei Rechtlosigkeit auf der anderen Seite wird als nicht so schlimm empfunden. Rechtsanwendung ist ja an sich – und das macht sie so wenig lustvoll und sexy – in erster Linie eine logische Tatbestandsanwendung. Und da gibt es wenig Raum für Diskussionen über gesellschaftliche Gerechtigkeit. Das macht es ein bisschen mürbe. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es auch seine Vorteile hat. Ich bin durchaus froh, in einem Staat zu leben, in dem ich um die Rechtmäßigkeit ganz bestimmter Handlungen weiß und in der Regel die Herren in Uniform das auch wissen. Auch deswegen ist das Polizeiaufgabengesetz so bedenklich: Weil man diesen Leuten, die ohnehin unterbesetzt und überlastet sind, nun rechtmäßig noch mehr Befugnisse in die Hand gibt und denkt, dass das besonders gute Folgen hat.

Kommt während Ihrer Arbeit als Kabarettist manchmal Ihr Juristen-Gen durch?
Die Rechthaberei macht mir gar nicht so viel Spaß, obwohl den Deutschen davon vielleicht etwas mehr in die Wiege gelegt worden ist. Ich versuche hingegen manchmal Fragen zu stellen, die vermischt sind mit platten Vorurteilen und letztere so gut zu formulieren, dass es keiner merkt. Und Texte lese ich etwas genauer, weil man im Studium dazu verdonnert wurde. Es ist aber nicht so, dass ich jeden Sachverhalt, den ich in der Tageszeitung lese, auf seine Rechtmäßigkeit untersuche.

Wohl aber schon auf die Verwertbarkeit in der "Anstalt" und im Soloprogramm, oder?
Ja, das ist eine Berufskrankheit. Alles, was gelesen wird, wird bewusst oder unbewusst auf seine Sendetauglichkeit abgeklopft. Manches regt einen so auf, dass man sich denkt, da muss man etwas drüber erzählen, und bei manchem überlegt man hin und her, bis der Watschenbaum umfällt. Deshalb besteht Urlaub auch darin, sich von den Informationen abzuschneiden und dieser Marotte keine Nahrung zu geben.

Was empfinden Sie bei Menschen, die behaupten, sie seien unpolitisch? Geht das überhaupt?
Ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die unpolitisch sind. Aber dann ist das vielleicht auch gleichzusetzen mit unbewusst. Wir sind schließlich alle Teilnehmer an einer Gesellschaft und sich um die Politik zu kümmern, hat auch immer mit einem selbst zu tun. Aber ich gebe zu, dass ich durchaus verstehen kann, dass viele – vor allem ärmere – Menschen in diesem Land sich nicht mehr um Politik kümmern. Das stand auch im letzten Armutsbericht der Regierung, der von eben dieser geschönt worden ist. Da stand drin, dass die Entscheidungen und die Beeinflussung der Politik hauptsächlich von der Seite der Reichen kommen. Arme haben keine Lobby in diesem Land. Und wenn man dann alle vier Jahre feststellen muss, dass für einen selbst kaum etwas getan wird, verstehe ich vollkommen, dass diese Leute am Tag der Wahl lieber eine Runde Scrabble spielen.

Sie haben mal gesagt: "Im Land der Blinden ist der Einäugige Taxifahrer." Haben Sie das Meiste Ihres Potenzials ausschöpfen können?
Ach Gott, schön wär’s, wenn ich von mir behaupten könnte, ich hätte das oberste Level erreicht. Das wäre vielleicht aber auch nicht so wahnsinnig gut für die Motivation.

In Ihren Programmen gewinnt man den Eindruck, es gibt kaum Tabus. Stimmt das, oder müssen Sie sich auch zurückhalten?
Wir können uns tatsächlich frei entfalten. Das ist das Schöne an der Arbeit, diese Sendung mit zwei Mitstreitern aus dem Boden zu stampfen, bei der einzig und allein unser Interesse und unser Blick auf Dinge entscheidet. Wir haben keinerlei Vorgaben. Es ist großartig, dass das ZDF uns das ermöglicht, und ich glaube, wir nutzen das auch aus.

Gab es Shitstorms?
Wenige. Die meisten solcher Nachrichten sammelt meine Agentin. Vielleicht machen wir uns irgendwann eine oder zwei oder drei Flaschen Rotwein auf und fangen an, sie zu lesen. Ich habe zwei oder drei Mal Hass-Mails beantwortet und versucht, in einen konstruktiven Dialog zu treten. Dabei musste ich feststellen, dass diejenigen, die ihren niedersten Instinkten freien Lauf lassen, an Gesprächen nicht interessiert sind.

Mit welcher Kritik können Sie nicht umgehen?
Wenn jemand einfach nur sagt, er fände es nicht lustig. Das ist erstens Geschmacksache und zweitens nicht konstruktiv, wenn man nicht einmal sagen kann, warum und inwiefern etwas nicht lustig ist. Mir fehlt bei den meisten Kritiken eine Begründung. Bei den – nicht allzu vielen – Besprechungen, die wir für die "Anstalt" bekommen haben, ging es den Journalisten häufig um persönliche Befindlichkeiten. Mögen sie es, mögen sie es nicht? Und warum sagen sie es nicht in einer nachvollziehbaren Argumentation? Es kam durchaus schon vor, dass ich etwas aus meinem Programm genommen habe, weil ich die begründete Kritik verstanden, und mir gedacht habe: Das stimmt, so kann man das sehen.

Wie vermitteln Sie Ihren beiden Töchtern die "richtige" politische Einstellung?
Wenn Sie damit meine Einstellung meinen, ist es das Wichtigste, das richtige kritische Potenzial zu schärfen. Dass Kinder lernen, nach dem Warum zu fragen und damit nicht aufhören. Der Rest kommt dann von alleine.

Irgendwann werden sie volljährig und wählen.
Wenn sie mir eines Tages mit vernünftigen Gründen erklären, warum sie bei den Grünen eingetreten sind, sage ich: Alles klar, setz dich hin, wir trinken ein Glas Wein darüber. Aber wenn sie in die SPD eintreten, enterbe ich sie. Es gibt Grenzen, da ziehe ich eine rote Linie.

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