Inklusives Theater: Der Defiliermarsch macht die Musik
"Wie spielt man Feuer?" fragt einer der beiden Erzähler, als ihm die Rolle des Brandes bei der Huberbäuerin anvertraut wird.
Im weiteren Verlauf muss fast jeder der achtköpfigen Truppe auch lodern, denn sie sind abwechselnd mal die Flammen, mal das Fenster, aus dem die Bäuerin herausschaut, ihr Nachbar, der seiner Nachbarin das Feuer auf ihrem Dach als großes Geheimnis offenbart, der Feuerwehrhauptmann oder die neue Dampfspritze der Freiwilligen Feuerwehr, die angesichts von Feuer und dem neuen, erst noch festlich einzuweihenden Löschgerät "resultatlos" ist.
Musiktheaterstück fußt auf Karl Valentins Einakter "Großfeuer"
Brecht-Forscher vermuten, dass der Augsburger Dichter seine Ideen zum Verfremdungseffekt nicht zuletzt vom Komiker aus Haidhausen bezog - speziell von Karl Valentins Einakter "Großfeuer", der 1922 in den Kammerspielen uraufgeführt wurde. Damals ging eine starke Geldentwertung in die Hyperinflation über, und die Zeitgenossen verstanden sofort, dass das groteske Bayern-Theater ein Bild für die Frage ist, wann endlich jemand wirkungsvoll etwas gegen die Katastrophe unternimmt.
Die größte Furcht der reichen Huberbäuerin ist, dass der Preis für die Butter wieder fällt. Hundert Jahre später sprechen wir von "Übergewinnen". Anton Prestele komponierte aus Valentins Text das Musiktheaterstück "Großfeuer in Untergilching", das im Tams-Theater in minimalistischer Instrumentierung uraufgeführt wurde. Prestele inszenierte selbst und tritt hier als formvollendet befrackter Dirigent auf, der die Sprach- wie die gesampelten Toneinsätze von der ersten Reihe aus leitet.
Die Musik ist vor allem eine schräg verschmitzte Girlande um den Bayerischen Defiliermarsch, denn, so weiß man im Dorf lässig rappend: "Der Marsch macht die Musik". Es ist die erste Musiktheater-Produktion des Theaters Apropos, das an der Haimhauserstraße ein gern gesehener Gast ist. Das inklusive Ensemble aus "Menschen mit und ohne psychischen Erkrankungen" sowie Theaterprofis überrascht immer wieder mit ihrem Witz und einer wie beiläufig entstandenen Intensität.
"Möge es in unserer Gemeinde recht oft brennen"
Das passt perfekt zur valentinesken Methode der Untergilchinger, mit pompös umständlichem Wichtigtun stets das Notwendige zu vermeiden. Die gestelzte Festrede des Feuerwehrhauptmanns zur Einweihung der neuen Dampfspritze lässt für die Zukunft aber wenig Besserung erwarten: "Möge es in unserer Gemeinde recht oft brennen, damit wir mit vollem Eifer und Aufopferung die Spritze in Funktionierung bringen können."
Tams-Theater, 23. bis 25. September, 19.30 Uhr, Telefon: 34 58 90
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