Hat die Falckenberg-Schule einen belasteten Namen?
Wenn belastete Straßennamen ausgetauscht werden sollen, ist die CSU in München und anderswo immer ganz vorn dabei, derlei mit Rücksicht auf umgewöhnungsunwillige Anwohner zu verhindern. Ein mittlerweile in den Bundestag gewechselter Stadtrat prägte in diesem Zusammenhang einmal das verächtliche Wort vom "Historikerschach“, das mitzuspielen er ablehne. Die Anwohner müssten das letzte Wort haben, so seine Position.
Insofern überrascht ein Stadtratsantrag der CSU, den Namenspatron der Otto-Falckenberg-Schule zu hinterfragen. Diese 1946 gegründete und an die Kammerspiele angegliederte Fachakademie für darstellende Kunst bietet die Studiengänge Schauspiel und Regie an und trägt seit 1948 den Namen des langjährigen Regisseurs und Intendanten der Kammerspiele.
"Auch mehr als 80 Jahre nach der Befreiung von der NS-Terrorherrschaft wird unkritisch und sehr publik einem NS-Kunstschaffenden gehuldigt“, heißt es in dem von Winfried Kaum und Hans-Peter Mehling unterzeichneten Antrag. Falckenberg habe auf der 1944 zusammengestellten "Gottbegnadeten“-Liste gestanden, die Künstler vom Kriegsdienst befreite. Eine kritische Auseinandersetzung sei geboten, bisherige Arbeiten seien distanzlos und ohne wissenschaftliche Substanz.
Er hat sich benutzen lassen
Es ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Ironie, dass Kaum und Mehling ausgerechnet das Institut für Zeitgeschichte beauftragen wollen. Schon 1979 erschien im zweiten Band der von diesem Institut herausgegebenen Reihe der umfangreiche, bis heute lesenswert gebliebene Aufsatz "Theater zwischen Anpassung und Widerstand. Die Münchner Kammerspiele im Dritten Reich“ von Friederike Euler. Weiteres Material, vor allem zur künstlerischen Seite und zur Entnazifizierung enthält der von Birgit Pargner verfassten Katalog "Otto Falckenberg. Regiepoet der Münchner Kammerspiele“ des Deutschen Theatermuseums.

Und es ist auch nicht so, als dass sich die Kammerspiele nicht längst ihrer Vergangenheit gestellt hätten: Es gab dazu bereits mehrere Veranstaltungen seit 2017. Und auf der Homepage heißt es ziemlich treffend, knapp und kritisch: "Otto Falckenberg hatte sich benutzen lassen und er benutzte die Nationalsozialisten, um Ressourcen für seine künstlerische Arbeit zu sichern, aber auch zu seinem persönlichen Vorteil.“
Falckenberg war Mitbegründer des literarischen Kabaretts "Elf Scharfrichter“. 1915 wurde er Oberspielleiter der Kammerspiele, ab 1917 Direktor und Künstlerischer Leiter und zuletzt - nach der Übernahme des Theaters durch die Stadt - auch Intendant. Er inszenierte neben Klassikern Werke von Pirandello, Georg Kaiser, Lion Feuchtwanger und Klaus Mann. 1922 brachte er Brechts "Trommeln in der Nacht“ zur Uraufführung und stand für alles, was die Nazis am damaligen Theater ablehnten, auch wenn er nie ästhetisch oder gar politisch so radikal war wie die Regisseure der Berliner Theater.
Kurz in Haft, dann auf der "Isola bella“
Im März 1933 wurde Falckenbergs Wohnung von der Polizei durchsucht. Nach einer kurzen Haft konnte er in die Kammerspiele zurückkehren und das Haus bis zur Schließung der Theater im Sommer 1944 leiten, wobei er sich auf die Inszenierung von Klassikern konzentrierte, was dazu führte, dass die Kammerspiele zur "Isola bella“ der Kunst in der NS-Zeit verklärt wurden.
Emigranten aus dem Ensemble wie Therese Giehse mögen das allerdings anders gesehen haben. Aber sie haben ihre Kritik nie formuliert. Falckenberg half das Paradox, dass führende Nazis dezidiertes Nazi-Theater, wie es am Bayerischen Staatsschauspiel gepflegt wurde, nicht schätzten. Versuche einer Einflussnahme konnte der Intendant danke seiner guten Kontakte nach Berlin regeln, weil Hitler und Goebbels seine Inszenierungen schätzten.
Als Falckenbergs Sündenfall gilt die Aufführung des antisemitischen Machwerks "Rothschild siegt bei Waterloo“ von Erich Wolfgang Möller anlässlich der Münchner Reichstheaterfestwoche von 1936. Das Stück wurde ihm von der Reichsdramaturgie aufgezwungen, aus dem Regiebuch soll hervorgehen, Falckenberg habe die Tendenz des Stücks in seiner Inszenierung abgemildert, was den Autor des Stücks so sehr erbost haben soll, dass er in der Premiere nicht am Schlussbeifall teilnahm.
Auf der Grauskala eher hell
Das mag eine fromme Legende sein, deren Wahrheitsgehalt 90 Jahre später womöglich nicht mehr zu klären ist. 1939 erhielt Falckenberg die Goethe-Medaille, im gleichen Jahr begannen Planungen des Regimes zur Modernisierung der Kammerspiele, die wegen des Zweiten Weltkriegs jedoch unausgeführt blieben.
Nach 1945 wurde Falckenberg von den Amerikanern abgesetzt. Das Spruchkammerverfahren erklärte ihn für "nicht betroffen“. Seine Rückkehr verhinderten bis kurz vor seinem Tod im Dezember 1947 undurchsichtige Intrigen.
Mit Falckenberg verhält es sich nach gegenwärtigen Wissensstand wie mit vielen anderen Künstlern, die Deutschland nicht verließen: Sie machten sich mitschuldig, aber diese Mitschuld ist schwer zu beurteilen. Bei diesem Theatermann tendieren, so scheint es, die Grautöne allerdings stark nach hell.

Und so lange Münchens neuerdings woke CSU einen Richard-Strauss-Tunnel und eine nach dem zeitweiligen Präsidenten der Reichsmusikkammer benannte Straße erträgt, kann man wohl mit einer Falckenberg-Schule leben, zumal es sich um eine eingeführte Marke handelt - wie beim Namen der nach einem Kommunisten benannten Hochschule "Ernst Busch“ in Berlin.
Da die CSU bei Umbenennungen von Straßen auf Anwohner hört, müssten mit gleichem Recht auch die Studierenden der Schule befragt werden. Ob so viel Demokratie gewagt werden wird?
In einem Punkt ist den Antragstellern aus dem Stadtrat allerdings zuzustimmen: Theatergeschichte ist eine Orchideendisziplin. Er braucht auf diesem Gebiet mehr historische Forschung. Aber ist Münchens CSU bereit, dafür gegebenenfalls städtische Gelder zu bewilligen? Im Moment sieht es daher danach aus, als wolle vor allem jemand die politisch korrekten Kammerspiele mit diesem Antrag ärgern.